Der erste Rostocker "Polizeiruf 110" des neuen Jahres beginnt mit einem Mann, der in den Armen des Kommissars stirbt. Es folgen eine deprimierende Jagd durch die Stadt, kaputte Ermittler – und die Frage, was die titelgebenden "Söhne Rostocks" umtreibt.
In den vergangenen Rostocker "Polizeiruf"-Folgen wurden die Zuschauer Zeugen charakterlicher Entwicklungen, die man eher in einem Drama als in einem Krimi erwarten würde. Mehr noch als die Fälle standen der psychische Zustand und die wechselseitige Beziehung der Ermittler im Mittelpunkt – und zuletzt gab es tatsächlich einen ersten Kuss. Doch mit der kurzzeitigen Romantik ist es nun, im neuen "Polizeiruf 110: Söhne Rostocks", flugs wieder vorbei. Nicht nur muss sich Katrin König (immer fantastischer: Anneke Kim Sarnau) den Konsequenzen ihres früheren Fehlers – der Fälschung von Beweismitteln – stellen, auch geht sie am Druck immer mehr zu Grunde. Während sie plötzlich zur Flasche greift, versucht der wie ausgewechselte Kollege Sascha Bukow ihr wieder auf die Beine zu helfen. Rollentausch in Rostock!
Dabei greift der neue Fall ausnahmsweise mal nicht direkt in die Leben der beiden gebeutelten und jeweils auf ihre Weise kaputten Kommissare ein. Wobei: Der Film nach einem Drehbuch von Markus Busch beginnt mit einem rotweinseligen (verliebten?) Bukow, der zu einem angeblichen Einbruch in der Nähe gerufen wird. Dort überschlagen sich die Ereignisse, ein Mann torkelt blutend auf den Ermittler zu und stirbt in dessen Armen, während der Hausbesitzer und Zeuge der Szene – Jungunternehmer Michael Norden (Tilman Strauß) – Hals über Kopf verschwindet. Schnell wird deutlich: Norden hat etwas mit dem Todesfall zu tun und hält sich in Rostock versteckt. Das Opfer, der 36-jährige Frank Fischer, war ein alter Schulfreund des Flüchtigen.
Bei den Ermittlungen geraten Bukow und König an die Alleinerziehende Beate Hövermann (Katharina Behrens), die einstige große Liebe von Michael Norden. Die befindet sich in Sachen Verzweiflung noch eine Spur unter König – unterboten nur von ihrem jugendlichen Sohn Jon (sehr talentiert: Oskar Belton), der die Ermittler schon besoffen begrüßt. Der Vater: abwesend, wie überhaupt die Väter in diesem Krimi vor allem durch Abwesenheit glänzen. Michael Norden, der Jons Papa sein soll, dies aber nicht anerkennt, hat seinen Vater ebenfalls seit Jahrzehnten nicht gesehen. Wesentlicher Grund: Der Jungunternehmer wollte ein ganz anderes Leben als sein alter Herr führen – erfolgreich und egoistisch statt abgefuckt und arm.
Statt sein falsches Leben ohne Vater nun zerbrechen zu lassen, begibt er sich auf eine Flucht, die in der Tat bisweilen im besten Sinne trist inszeniert ist. Ausnahmslos jeder scheint hier depressiv und von der Welt enttäuscht zu sein. Wo sich Norden befindet und was hinter dem Mord an Fischer steckt, erfahren die Ermittler nur Stück für Stück. Zwischendurch erhalten sie sowohl bei Nordens Firma ("Sie müssen halt irgendwas können. Auch ungelernt") und seinen Geschäftskollegen ("Zeitarbeit – das war eher sein Ding") als auch bei seiner Geliebten Alex (Romina Küper) vor allem Schweigen oder blöde Sprüche.
Letztlich, und das erwartet inzwischen auch das Publikum, geht es aber doch wieder um König und Bukow und ihre hübsch deprimierende Offenheit miteinander: "... und vielleicht auch mal duschen?", schickt Bukow seine Kollegin nach langer Arbeit nach Hause – nur um es gleich zu bereuen. Sie kommen sich näher, und das muss nicht mal romantisch sein: "Ich hab Angst", gesteht König ungewohnt offen. Das Rostocker Ermittler-Drama, es ist noch nicht vorbei.
Polizeiruf 110: Söhne Rostocks – So. 19.01. – ARD: 20.15 Uhr