Doreen Brasch (Claudia Michelsen) muss nach dem Abgang ihres Kollegen Köhler (Matthias Matschke) alleine in der Wettbetrugs-Szene ermitteln. Bald weiß die Magdeburger Kommissarin nicht mehr, wer in diesem Verwirrspiel-Krimi lügt und ob hier überhaupt jemand die Wahrheit sagt.
Den Job an der Seite von Magdeburg-Kommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) hält offenbar niemand lange aus. Nachdem ihr erster Partner Drexler (Sylvester Groth) nach fünf gemeinsamen Fällen das Handtuch warf, schied Nachfolger Köhler (Matthias Matschke) nach sechs Filmen sogar grußlos aus dem Format. Anders ausgedrückt: Der Abgang des Co-Stars wurde in Matschkes letzter Folge "Mörderische Dorfgemeinschaft", ein selten dämlicher, weil verräterischer Titel übrigens, mit keiner Silbe erklärt. Kein guter Stil. Die Folge: In ihrem neuen Fall ermittelt Brasch alleine, leidet daran jedoch für zwei.
"Polizeiruf 110: Totes Rennen", der neue Krimi aus Sachsen-Anhalt, beginnt mit Schmerzvisionen. Frau Brasch hat Schulter, "Frozen Shoulder" um genau zu sein. Doch ihr Leiden sieht im Film (Regie: Torsten C. Fischer, "Mord im Internat") etwa so aus, als befände sich die Ermittlerin auf kaltem Crack-Entzug. Entsprechend weiß man gar nicht, wen man mehr bedauern soll: Brasch oder jenes junge Mordopfer am Elbufer, nahe der Pferderennbahn, respektive seine Angehörigen. Der Tote, Milan Siebert, war unlängst – obwohl junger Familienvater – wieder bei seinen Eltern eingezogen. Seine Frau hatte sich von ihm getrennt, weil Siebert spielsüchtig war. Überall hatte Milan Siebert, Kind zweier vom Leben enttäuschter Eiskunstlauf-Olympiasieger (Torsten Ranft, Catherine Flemming), Schulden. Nun wurde er mit unterschiedlichsten Verletzungen ins Jenseits befördert. Ein Zeuge will ihn gar noch taumelnd mit einem anderen Mann in einem Boot gesehen haben.
Zu Braschs Überraschung offenbaren die letzten Handy-Verbindungen des Toten einen Kontakt zum Landeskriminalamt. Die LKA-Kollegen im Präsidium blocken jedoch ab. Sie wünschen getrennte Ermittlungen. Im Vertrauen erfährt Brasch vom LKA-Kollegen Hannes Kehr (Michael Maertens), dass Milan als Informant für ihn und die Abteilung Wettbetrug gearbeitet hat. Kehr erklärt Brasch die Welt der Spielwetten und warnt sie davor. Dennoch verbringt die Kommissarin alsbald viel Zeit in einer Wettspelunke, wo sie auf halbseidene Gesellen wie Micky Puhle (Martin Semmelrogge) trifft. Kann die neue Solo-Ermittlerin in üblem Zustand überhaupt noch Wahrheit und falsches Spiel voneinander unterscheiden? Vor allem in einem Umfeld, in dem jeder Akteur eine zweifelhafte Geschichte aufzutischen hat.
Wie so oft im "Polizeiruf" aus Sachsen-Anhalt geht auch dieser Plot nicht vollends auf. Der Leidensweg der Kommissarin – es wird noch heftiger als nur "Schulter" – behindert die Logik des Plots. Visionen der Zukunft oder eines traumatischen Vorfalls aus der Vergangenheit werden in rot gefilterten Bildern immer wieder dem Zuschauer präsentiert, aber nicht sinnhaft aufgelöst. Und warum Braschs Chef (Felix Vörtler) neben seinem Beamtenjob nun auch noch Sänger ist, der in der Mitte des Films eine gar nicht so üble Coverversion von "Forever Young" zur Gitarre schmettert – zu der das Ensemble der gepeinigten Figuren in diesem Krimi noch einmal in einer Bildercollage vorgestellt werden -, dient auch keiner Logik außer jener, dass Kriminalrat Uwe Lemp (Vörtler) wohl so ein bisschen die Leerstelle des fehlenden Brasch-Partners füllen soll.
Das erste Solo der Doreen Brasch ist ein unausgegorener Schmerzens-Trip in den Sumpf der Sportwetten-Szene. Auch wenn einem das Drehbuch (Stefan Dähnert, Lion H. Lau) ein paar interessante Tricks der Wettszene verrät – ein runder Krimi, sowohl von der Fall-Architektur als auch von psychologischer Seite aus betrachtet, ist "Totes Rennen" jedoch nicht.
Polizeiruf 110: Totes Rennen – So. 16.02. – ARD: 20.15 Uhr