Reproduktion
17.11.2025 • 22:25 - 00:15 Uhr
Info, Gesellschaft + Soziales
Lesermeinung
Eine idealisierte Mutter-Kind-Gruppe des Wiener Bildhauers Richard Luksch. Eines von vielen Werken, welche die Architektur der Hamburger Kunsthochschule prägen.
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Studierende betrachten das Wandbild „Die ewige Welle“ von Willy von Beckerath in der Aula der Hamburger Kunsthochschule.
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Fotografien der Großmutter der Filmmacherin aus deren Zeit als Studentin an der damaligen Kunstgewerbeschule am Lerchenfeld.
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Wie gehen Kunst und Mutterschaft zusammen? Wie sehr war und ist die Kunstwelt von männlich geprägten Strukturen bestimmt? Diesen Fragen geht der Film „Reproduktion“ nach.
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Originaltitel
Reproduktion
Produktionsland
D
Produktionsdatum
2024
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Reproduktion

Frauen, Kunst, Mutterschaft: Der autobiografisch motivierte Film forscht in seiner architektonischen Zeitreise nach Idealen, die sich oftmals zu widersprechen scheinen. Tableauartig und in konzentrierten Kamerafahrten beschreibt "Reproduktion" Herrschafts-, Klassen- und Geschlechterverhältnisse über drei Frauengenerationen hinweg. Dabei werden Ausschlusskriterien und patriarchale Strukturen der Institutionen sichtbar. Als die Dokumentarfilmerin Katharina Pethke als Studentin erstmals die Hamburger Hochschule für bildende Künste betrat, fühlte es sich an, als ob sie ihren ganz eigenen Weg gefunden hätte. Schon ihre Mutter und ihre Großmutter hatten dort studiert, allerdings waren deren künstlerische Karrieren ins Stocken geraten, als Kinder kamen. Jede der drei Frauen glaubte, neue Wege zu beschreiten - und schrieb doch, bewusst oder unbewusst, ein Vermächtnis fort. Katharina Pethkes ebenso persönlicher wie nüchterner Essayfilm untersucht das Spannungsfeld zwischen künstlerischer Ambition und gesellschaftlicher Determinierung, zwischen Eigensinn und Mutterschaft, Produktion und Reproduktion, in dem sich Künstlerinnen seit Generationen bewegen. Dabei werden die Architektur der Hamburger Hochschule, ihre Wandgemälde und Skulpturen zum Spiegel für anhaltende Ambivalenzen. "Virtuos und klug verwebt die Filmemacherin ihre Familienbiografie und die Architekturgeschichte des heutigen Kunst- und Mediencampus Hamburg zu einem dichten Stoff, der die großen Fragen weiblicher und künstlerischer Identitäten offen an ihrem eigenen Beispiel durchdekliniert." (Berlinale Forum 2024) Katharina Pethke, geboren 1979 in Hamburg, studierte Kunstgeschichte, Germanistik und Visuelle Kommunikation in Hamburg und später Regie in Köln. Von 2012 bis 2019 war sie Professorin für Grundlagen im Bereich Film an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Mit ihrem Abschlussfilm "Louisa" (2011) gewann sie den Deutschen Kurzfilmpreis in Gold und eine Goldene Taube beim Festival DOK Leipzig. Für "Dazwischen Elsa" (2019) aus der 3sat-Dokumentarfilmreihe "Ab 18!" erhielt sie eine Nominierung zum Grimme-Preis. Weiter realisierte sie international erfolgreiche Filme wie "Jedermann und ich" (2021) und "Uncanny me" (2023) aus der 3sat-Dokumentarfilmreihe "Ab 18!". "Reproduktion" ist ihr erster abendfüllender Film, der 2024 im Forum der Berlinale Premiere feierte und auf der Duisburger Filmwoche 2024 mit dem Dokumentarfilmpreis des Goethe Instituts ausgezeichnet wurde. Statement der Regisseurin: "Als ich an der gleichen Institution Professorin werde, an der nicht nur ich, sondern auch meine Mutter und außerdem meine Großmutter studiert haben, fühle ich mich wie eine Figur aus dem Film "Letztes Jahr in Marienbad". Ich schreite durch die altehrwürdigen Hallen und die Zeit scheint stehen geblieben zu sein. Am Ort blicken mir die Ideale in ihrer vermeintlichen Reinform als Skulpturen entgegen, die denkmälerisch gepflegt werden: Der männliche Genius, auf sich selbst bezogen, nackt, vor einer verhüllten Gruppe von Frauen stehend - und die kniende, selbstlos ins Nichts starrende Mutter mit ihrem Kind. Ich frage mich: Warum hat meine Großmutter eigentlich aufgehört mit der Kunst? Warum ist sie Hausfrau und Mutter von vier Kindern geworden? Und was hat das alles mit dem nackten, überlebensgroßen Genius an der Wand in der Aula der Kunsthochschule zu tun, der auf die jungen, hoffnungsvollen Studierenden herabblickt? Entlang der jeweils privilegierten Ausgangssituation - Welche Frau kommt 1945, direkt nach dem Zweiten Weltkrieg, auf die Idee, Kunst zu studieren? - untersuche ich die jeweiligen Bedingungen der Zeit - und das Kunstverständnis, das mit dieser Zeit verbunden ist. Meine Mutter, ebenfalls privilegiert, versuchte, ihre bürgerliche Herkunft zu negieren - und profitierte gleichzeitig davon. Als 68erin entschied sie, alles anders zu machen, doch auch sie hörte mit dem Kunstschaffen auf, als sie mich und meine Geschwister bekam und ihr Leben als alleinerziehende Lehrerin bestritt. Und ich? Als ich, die Dritte in der Familie, Professorin werde, scheint alles erreicht: Der auf sich selbst bezogene, nur für sich selbst verantwortliche Genius - das bin ich! Doch erst als ich schwanger werde und Kinder bekomme, merke ich, dass ich an eine unsichtbare Grenze gekommen bin. Dass mein diffuses Gefühl des Versagens kein persönliches Problem ist, begreife ich erst, als ich diesen Film beginne. In fünf Jahren Arbeit an diesem Film schälten sich langsam die konkrete Fragestellung und die Form heraus: Wäre es nicht konsequent, das, was so persönlich erscheint, filmisch direkt am Ort der Arbeit anzusiedeln? Das erste Interview mit meiner Großmutter entstand bereits 2012. Spätestens 2019, als mich ein Kollege fragte, was ich in meiner Zeit an der Hochschule eigentlich 'geschafft' habe, wurde mir klar, dass ich diesen Film nun wirklich anfangen muss! Schaffen und kreieren - was hat in dieser Gesellschaft welchen Wert? Das Projekt entstand gemeinsam mit meinem Partner und Vater unserer Kinder, dem Bildgestalter Christoph Rohrscheidt." Redaktionshinweis: 3sat zeigt "Reproduktion" als TV-Premiere in seinem Begleitprogramm zur diesjährigen Duisburger Filmwoche (3.-9.11.2025), dem Festival des Dokumentarfilms aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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