Tage, die es nicht gab
14.02.2023 • 20:15 - 21:00 Uhr
Serie, Dramaserie
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Produktionsland
A
Produktionsdatum
2022
Serie, Dramaserie

"Big Little Lies" aus Österreich

Von Eric Leimann

"Tage, die es nicht gab" ist eine österreichische Serie über vier Freundinnen, die in einen Mord verwickelt sein könnten. In Teilen eine Art Remake der gefeierten HBO-Serie "Big Little Lies" mit Nicole Kidman und Reese Witherspoon. Sie bringt jedoch so viel eigene Qualität mit, dass das Einschalten lohnt.

Die Idee, aus der gefeierten, mit Preisen überhäuften US-Serie "Big Little Lies" (2017-2019) eine deutschsprachige "Version" herzustellen, klingt erst mal nicht allzu vielversprechend. Wie soll man es schaffen, einer der besten Serien der letzten zehn Jahre etwas auch nur annähernd Gutes hinzuzufügen – zumal es die Geschichte ja schon gibt? Drehbuchautor Mischa Zickler, der für die ORF/MDR-Koproduktion "Tage, die es nicht gab" explizit den Auftrag erhielt, ein österreichisches "Big Little Lies" zu schreiben, hat das Wunder geschafft: Die sechsstündige Erzählung über vier längst erwachsene Jugendfreundinnen, die ihre Kinder an der gleichen Eliteschule "untergebracht" haben, die einst auch sie besuchten, hat genug eigene Ideen, Stärken und auch eine hinreichend individuelle Story, sodass es für "Doppelschauer" keineswegs langweilig wird.

Miriam (Franziska Weisz), Doris (Diana Amft), Inès (Jasmin Gerat) und Christiane (Franziska Hackl) sind seit ihrer Schulzeit im "Sophianum" tief verbunden. Einst haben sich die Frauen als Mädchen geschworen, ihre Kinder niemals in die (fiktive) beste Schule des Landes zu geben. Die Gründe hierfür wird man erst spät in der Serie erfahren. Doch wie das Leben so spielt: Es ist alles anders gekommen. Staatsanwältin Miriam, Mutter dreier Kinder und mit einem einflussreichen Top-Juristen (Andreas Lust) verheiratet, lebt im Designer-Luxus und fühlt dennoch eine gewisse Leere. Als ein Todesfall an der Lernanstalt ihrer Kinder nach Jahren noch einmal untersucht wird, gerät ihr Verhalten am Tage des Vorfalls in den Fokus von zwei Wiener Polizei-Ermittlern (Sissy Höfferer, Tobias Resch).

Klischeehaftes Setting, klischeefreie Charakterentwicklung

Auch die anderen Freundinnen weisen aktuelle Verbindungen zur Eliteschule auf: Doris (Diana Amft), die eine große Spedition leitet, dabei aber von ihrer Mutter (Jutta Speidel) nicht von der Leine gelassen wird, hat ihre provokante Schlaumeier-Teenietochter Sarah (Niobe Eckert) dort und die mit dem Franzosen Etienne (Wanja Mues) verheiratete Inès (Jasmin Gerat) einen fast erwachsenen Sohn (Etienne Halsdorf). Der wurde wegen seines Drogenproblems von Paris aufs österreichische Land verschoben. Ein Umstand, unter dem die Familie leidet. Bleibt noch Schriftstellerin Christiane (Franziska Hackl), die mit dem Musiker Filip (Stefan Pohl) verheiratet ist. Das Paar muss einen schrecklichen Verlust verarbeiten.

In der achtteiligen Serie (zwei Folgen gibt es zum Auftakt, danach geht es über sechs Dienstage mit einer Einzelfolge um 20.15 Uhr weiter) geht es gleichermaßen um einen mysteriösen Kriminalfall wie um das komplexe Beziehungsgeflecht eines größeren Ensembles vielschichtig erzählter Charaktere. Bereits ab 12. Februar ist "Tage, die nicht gab" (Regie: Anna Katharina Maier, Mirjam Unger) in der ARD-Mediathek zu finden.

Schon in "Big Little Lies" diente der eher im Hintergrund präsentierte Todesfall (dort weiß man bis kurz vor Schluss nicht, wen es erwischt hat) als eher dramaturgisches Moment eines Ensemble-Dramas über die Leben und Beziehungen einer Gruppe Mütter um die 40. Wobei auch die Nebenfiguren – Männer, Kinder – mit viel Tiefe erzählt wurden. Eine Stärke, die "Tage, die es nicht gab" ebenso aufs Tableau bringt, wobei sich die Story selbst deutlich unterscheidet.

Was in der Produktion, die eventuell fortgesetzt wird, im Gegensatz zu anderen deutschsprachigen Serie gelungen ist: Trotz des Ausgangs-Klischees von vier Freundinnen aus besseren Kreisen, die vor hübscher Naturkulisse leben, ist die Schilderung ihrer Charaktere und Beziehungen alles andere als klischeehaft. Zudem arbeitet die Serie mit überaus geschickten Rückblenden und vermengt unterschiedliche Zeitebenen so, dass die Konstruktion der Geschichte begeistern kann.

Ein deutschsprachiges Serien-Highlight

Selten hat man in einer deutschsprachigen Dramaserie, die sich an ein großes Publikum wendet, eine derartige Qualität in Sachen Charakterzeichnung, Story-Konstruktion und Spannungsaufbau gesehen. Selbst Cliffhanger sind hier so geschickt gesetzt, dass man es nach einem Folgenende kaum erwarten kann, die nächste Episode zu starten. Einziges Manko mag Folge eins sein, die vielleicht ein bisschen zu arg mit den Zeitebenen spielt und den ein oder anderen Zuschauer verwirren könnte. Wer diese Folge übersteht, gerät in einen sehr runden, spannenden und trotz der teilweise kühnen Entwicklungen verblüffenderweise nachvollziehbaren Erzählfluss hinein.

Einige Highlights des tollen Ensemblestückes müssen noch mal hervorgehoben werden: Wie grandios Sissy Höfferer und Tobias Resch das lakonische Ermittlerpaar geben, das hat schon fast "Kottan ermittelt"-Qualität. Figuren übrigens, die im US-Original noch nicht mal angelegt sind. Auch wie Franziska Hackl und Stefan Pohl ein trauerndes Elternpaar geben, wie lebensecht Jasmin Gerat und ihr Filmsohn Etienne Halsdorf an ihrer Beziehung verzweifeln oder wie überraschungsreich Franziska Weisz' und Andreas Lust in eine Ehe-Endzeit hineinschlittern, all das ist so großartig geschrieben, gespielt und inszeniert, wie man es in deutscher Original-Sprache nur äußerst selten zu sehen bekommt.

Tage, die es nicht gab – Di. 14.02. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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