Boerne und Thiel kabbeln sich mehr routiniert als inspiriert durch ihren einzigen "Tatort" 2018. Schwung in die Bude bringt immerhin ein Stargast aus dem Allwetterzoo.
Wenn Produktverknappung auch im Fernsehen zu steigender Nachfrage führt, dürften neue Rekordquoten kaum zu verhindern sein. Erstmals seit ihrem Amtsantritt im Oktober 2002 ermitteln die "Tatort"-Publikumslieblinge Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) nicht zweifach im Jahr, sondern nur dieses eine Mal. Der Grund: Friederike Kempter, Darstellerin der Nadeshda Krusenstern, hat keine Zeit für weitere Dreharbeiten. Sie erwartet im Herbst ihr erstes Kind. Auch sonst stehen für die Folge "Schlangengrube" die Vorzeichen ausgezeichnet. Schließlich konnten die Filmemacher eine Episodenhauptdarstellerin der Extraklasse engagieren. Nicht auszuschließen, dass die 22-jährige Sandy den beiden Hauptermittlern Schau und Sympathien stiehlt. Für ein Brillenpinguin-Weibchen ist die gefiederte Münsteranerin fast so etwas wie ein Star.
Sandy bleibt auch bei ihrem "Heimspiel", dem ersten Münster-"Tatort", der im Allwetterzoo Station macht, wenig schuldig. Eine veritable Verfolgungsjagd haben ihr die Autoren Jan Hinter und Stefan Cantz ins Drehbuch geschrieben, und am ganz am Ende, wenn der knuffige Junggeselle Thiel die antarktische Kameradin an die Heldenbrust drückt, liegt fast etwas von Romanze in der Luft. Immerhin hatte Sandy im echten Leben einst Schlagzeilen gemacht, weil sie sich in ihren Tierpfleger "verliebt" hatte. Der Mann hatte sie mit der Flasche großgezogen.
Über solche Dinge lässt sich wunderbar sinnieren, weil im Münsterschen Kriminalfall selbst mal wieder wenig bis gar nichts von Belang passiert. Eine krebskranke Frau wird tot in ihrer Wohnung gefunden, jemand hatte sie die Treppe hinuntergestoßen. Weil die alleinstehende Dame Stammgast im Zoo war, streift sich Kommissar Thiel auf Undercover-Mission bald eine Tierpfleger-Montur über, und Professor Boerne gibt unauffällig den Zoo-Besucher, der sich immer dann eine Zeitung vors Gesicht hält, wenn er aufzufliegen droht. Hätte man kurz nach dem Krieg nicht schöner filmen können (Regie: Samira Radsi).
Wie sich zeigt, war das Mordopfer nicht nur mit ihrer Nachbarin, der Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann), verkracht, sondern auch einem Skandal auf der Spur. Aus dem Münsteraner Zoo scheinen immer wieder Tiere heimlich zu verschwinden. Zoo-Direktor, Veterinär und ein Tierdoku-Filmer geraten ins Zwielicht. Kurz bevor man aufgibt, sich für die Lösung dieses verworrenen Rätsels zu interessieren, kommt doch noch ein bisschen Fahrt auf – auch dank der fliehenden Sandy. Die Täter-Pointe gerät immerhin recht deftig.
Bemerkenswert ist am routinierten Gekabbel und Geknobel ansonsten wenig. Da freut man sich bereits diebisch über die Wiedergeburt der langjährigen Kölner "Tatort"-Assistentin "Franziska" im Körper eines missgünstigen Gesetzes-Drachens: Tessa Mittelstaedt spielt eine Staatsanwältin, die der tatverdächtigen Kollegin Klemm das Wasser abgraben will. Recht bemüht hingegen die neuste Boerne-Zote, wonach der Rechtsmediziner als TV-Koch reüssieren will. Einen einflussreichen TV-Produzenten (Robert Hunger-Bühler) hat der Aufschneider schon am Wickel, einen Mann, von dem es heißt, er wisse, wie man Quoten-Hits landet. Als ob man den Münster-Ermittlern zu dem Thema noch irgendetwas beibringen müsste.