Ein klassischer Gruselfilm in einem französisch anmutenden, sommerlichen Landhaus. Dazu eine neue Ermittlerin mit Boxsack. Es passt nicht alles zusammen im neuen Kieler "Tatort" – trotzdem hat er seine Momente.
Kommissar Borowskis (Axel Milberg) fast erwachsenes Patenkind Grete (Emma Mathilde Floßmann) ruft den Kommissar in ein sommerliches Landhaus. Die Mutter des Mädchens, eine Freundin Borowskis, ist dort vor Jahren verschwunden. Des Mordes verdächtigt wurde der Ehemann und Vater Gretes sowie ihrer Schwester Sinja (Mercedes Müller). Nachweisen konnte man Bestsellerautor Frank Voigt (Thomas Loibl) jedoch nichts. Mittlerweile lebt neben Voigt und seinen Töchtern auch Anna (Karoline Schuch), die neue Frau des Vaters, im Haus. Sie ist fest davon überzeugt, dass es in der Villa der Patchworkfamilie spukt. Borowski täuscht eine Autopanne vor und verbringt die Nacht auf dem Lande. Der Grusel-"Tatort: Borowski und das Haus der Geister" kann beginnen.
Klassische Gruselszenen in Gothic-Manier, französischer Dialogfilm und ein Hauch von Columbo. Später bekommt der Kommissar noch die neue Ermittlerin Mila Sahin (Almila Bagriacik) an die Seite gestellt. Der neue Kieler "Tatort" kommt ein wenig unfokussiert daher, hat aber dennoch seine Momente. Dass Borowskis neuer Sidekick, die im NSU-Film "Die Opfer – Vergesst mich nicht" so stark aufspielende Almila Bagriacik, erst nach weitgehender Fertigstellung des Drehbuchs mit der Kneifzange in den Film operiert wurde, sieht man dem fertigen Produkt an.
Holterdiepolter taucht mitten in Borowskis Gruselrecherche seine neue Partnerin hinterm Boxsack ihres Büros auf – Bagriacik boxte früher auch privat -, um der nicht immer stimmigen Mischung dieses "Tatorts" noch eine weitere Note hinzuzufügen: die der taffen jungen Ermittlerin mit Migrationshintergrund. Natürlich ist sie aus Berlin, wo Bagriacik tatsächlich lebt und aufgewachsen ist, ins beschauliche Schleswig-Holstein gewechselt.
Während das Drehbuch von Marco Wiersch, der mit Regisseur Kilian Riedhof 2015 den überragenden deutschen Politthriler "Der Fall Barschel" schrieb, ein wenig zerfasert wirkt und auch die Regie Elmar Fischers ("Unterm Radar") wenig Akzente setzen kann, machen die beiden Kommissare ihre Sache gut. Borowski wandelt immer mehr als irritierend selbstironischer Solitär der Ermittlerszene durchs deutsche Krimifernsehen. Mal absturzgefährdet und in der Selbstkrise und wie vor gut einem Jahr in "Borowski und das Fest des Nordens", mit dem besten "Tatort" des Kalenderjahres 2017, mal eher leicht und mit französischer Lebenseleganz wie im neuen Fall.
Dass die Chemie zwischen ihm und seiner neuen, noch nicht mal halb so alten Partnerin stimmen kann, beweist das ungleiche Gespann bei einem spontanen Tänzchen auf einem Parkdeck. Angeblich ist die Szene, bei der sich die Ermittler per lebensbejahendem Ausdruckstanz näher kennenlernen, spontan beim Dreh entstanden. Ein weiteres, nettes Detail in einem "Tatort", der zwar nicht stringent wirkt, aber in seinen Einzelelementen unterhaltsam den ausklingenden Sommer feiert.