Rumänische Einbrecherbanden marodieren durch Hamburger Eigenheime. Vor Selbstjustiz wird mit den Mitteln plumper "Tatort"-Psychologie trotzdem gewarnt.
Ist ja drollig: Offenbar legen rumänische Einbrecherbanden bei der Werbung von Mitgliedern Wert auf komödiantisches Talent. Was er denn am helllichten Tag mit Sturmhaube und Schraubenzieher anstellen wollte, wird der junge Verdächtige von den norddeutschen "Tatort"-Kommissaren Falke (Wotan Wilke Möhring) und Grosz (Franziska Weisz) im Verhör gefragt. Die kecke Antwort: "In Deutschland ist es kalt, und immer ist irgendwo eine Schraube locker." – Selten so gelacht. Aber kurz nachdem die Polizisten den Nachwuchskomiker ziehen lassen müssen mangels Beweisen, ist Schluss mit lustig. Der Rumäne ist offenbar beim Falschen eingebrochen und liegt erschossen im fremden Wohnzimmer. Der Hauseigentümer thront über der Leiche gleichsam mit rauchendem Colt – fast wie im Western.
So weit ist es also gekommen, dass sich das Leben in einer Hamburger Eigenheimsiedlung anfühlen muss wie im wilden, gesetzlosen Westen. Die Polizei zeigt sich zahn- und ratlos im Angesicht einer Einbruchsserie von biblischem Ausmaß – da greifen die Bewohner eben zur Selbstjustiz.
Den Verweis auf die "Notwehr" mögen die sofort herbeigeeilten Bundespolizisten dem Todesschützen Dieter Kranzbühler (Jörg Pose) aber nicht recht abkaufen – mag ihm sein jüngerer Bruder Bernd (Andreas Lust) noch so vehement zur Seite springen. Falke und Grosz, die in dieser NDR-Folge eine Anti-Einbruchs-Soko unterstützen, fällt sofort auf, dass der erschossene Dieb nur eine Spielzeugattrappe in der Hand hielt – in der rechten wohlgemerkt, wo er doch Linkshänder war. Außerdem fiel wohl ein zweiter Schuss, auf die Komplizin des jungen Rumänen. Doch sie entkam.
Den Tathergang darf man ruhig so freimütig schildern, denn er liegt nach wenigen Filmminuten offen da. Dieser "Tatort", den Benjamin Hessler und Florian Oeller gemeinsam schrieben, ist also kein klassischer Ermittlungskrimi, sondern eher ein Fahndungs-Thriller. Ziel der titelgebenden "Treibjagd" (Regie: Samira Radsi) ist die flüchtige Einbrecher-Komplizin Maja Kristeva (Michelle Barthel). Für Falke und Grosz wäre sie der Schlüssel, dem Alster-John-Wayne eine vorsätzliche Tötung nachzuweisen. Umso entschlossener versucht dessen Bruder Bernd, die Zeugin als Erster zu finden.
Der Bernd, der Dieter und Kumpel Siggi (Sascha Nathan): Rechtschaffene Familienmenschen sind das auf kohlhaasischen Abwegen. Eben noch formierte sich ihr Widerstand gewaltlos in einem Internet-Forum. Jetzt greifen sie Mordbrennern gleich zum Äußersten. Vom psychologischen Standpunkt aus betrachtet ist das eine beachtliche Spontanverwandlung.
Dabei hätte man in Anbetracht der deutschen Einbruchsstatistiken doch so viel Handfestes erzählen können! Von der traumatischen Belastung der Opfer. Von den Strukturen des organisierten Verbrechens. Von den Grenzen der Polizeiarbeit. Und natürlich auch vom Phänomen der Bürgerwehren. Doch nichts von alledem wird ansatzweise vertieft. Stattdessen hechelt man infolge einer kühnen Täter-Opfer-Rochade durch wenig plausible Szenen einer Jagd, und es setzt Medienschelte vom öffentlich-rechtlichen Fernsehkommissar: "Internetvideos sind was für Spacken", doziert der im Netz verleumdete Thorsten Falke. Danke für die Belehrung! Fast hätten wir frech wie ein rumänischer Bandit erwidert: "Manche 'Tatort'-Krimis aber auch."