Das Publikum hat gewählt: Der maliziöse Münchner Krimi aus dem Schriftstellerinnen-Milieu eröffnet als erster "Wunsch-Tatort" die diesmal besonders lange Sommerpause.
Man hätte was darauf verwetten mögen, dass die Quotenplatzhirsche Boerne und Thiel auch beim "Wunsch-Tatort" das Rennen machen. Aber nein, die rasend erfolgreichen Münsteraner landeten bei der Zuschauerabstimmung der ARD "nur" auf den Plätzen zwei ("Fangschuss") und drei ("Schwanensee"). Der – gemäß einer diskutablen Vorauswahl – beliebteste "Tatort" der letzten 20 Jahre kommt aus München. Mit dem Wimpernschlag von 39 Stimmen mehr setzte sich die Folge "Wenn Frauen Austern essen" aus dem Jahr 2003 durch. Wie versprochen wird der Film, den bei der Erstsendung für heutige Verhältnisse kärgliche sieben Millionen Zuschauer sahen, nun zum Auftakt der "Tatort"-Sommerpause wiederholt. Es ist ein Krimi ohne allzu viel Münchner Lokalkolorit.
Als Staffage dienen Bestsellerromane von zweifelhafter Qualität und eine ebenso erfolgreiche wie verstörte Damenrunde. Ein Umfeld, in dem sich die Herren Batic (Miroslav Nemec), Leitmayr (Udo Wachtveitl) und – damals der Dritte im Bunde – Menzinger (Michael Fitz) schwer tun – zumal es um einen beinharten Mord geht.
Es ist ein ausgesprochen bösartiges Klima, das an jenem Abend im Haus von Ira Kusmansky (Doris Schade) herrscht. Neid und Missgunst sitzen mit an der Tafel, an der sieben Autorinnen um den Millionenvertrag buhlen, den die alternde Literaturagentin der besten von ihnen verspricht. Doch nicht nur die Stimmung ist vergiftet, eine der servierten Austern ist es ebenfalls. So stirbt Anna Stahlberg-Zeulig (Barbara Melzl) noch während des Essens in einem Nebenzimmer.
Die Kommissare stechen im Zuge ihrer Ermittlungen in ein Wespennest. War vielleicht Ingrid Sanzara (Gilla Cremer) die Mörderin, Autorin beschaulicher Heile-Welt-Romane? Oder Sex- and Crime-Lady Hermine Horkens (Antje Widdra)? Auch Lektorin Barbara Gerhard (Margit Rogall) und Science-Fiction-Newcomerin Laura Lord (Sandra Borgmann) verhalten sich seltsam.
Drehbuchautor Peter Probst schrieb diesen Plot (düstere Regie: Klaus Emmerich) aus dem Nähkästchen. Immerhin ist er (noch heute) mit Amelie Fried, einer der erfolgreichsten Schriftstellerinnen Deutschlands, verheiratet. Es mag also durchaus sein, dass einiges in diesem "Tatort" aus erster Hand stammt. Trotzdem fehlt manchmal der rote Faden. Recht viele Verdächtige sind's und viele Handlungsstränge: Oft weiß der Zuschauer nicht mehr genau, wer da gerade gegen wen intrigiert. Doch die Idee einer rein weiblichen Liste an Protagonisten wirkt sogar auch heutiger Sicht noch zeitgemäß-originell. Den Münchner Kommissaren verlangen die Damen denn auch einiges ab.
Die Zuschauer-Votings zum bevorstehenden Jubiläum "50 Jahre Tatort" werden in den kommenden zehn Wochen fortgesetzt. 49 Titel verbleiben nunmehr auf der Vorauswahl-Liste. An der ersten Abstimmungsrunde beteiligten sich nach ARD-Angaben 143.997 Zuschauerinnen und Zuschauer aus Deutschland und Österreich.
Tatort: Wenn Frauen Austern essen – So. 21.06. – ARD: 20.15 Uhr