22.01.2021 Wie er funktioniert

Bluttest erkennt Alzheimer lange vor den ersten Anzeichen

Von Annette Bulut
Ein Bluttest hilt, um Alzheimer frühzeitig zu erkennen.
Ein Bluttest hilt, um Alzheimer frühzeitig zu erkennen. Fotoquelle: RUB / Kramer

Trotz vielfältiger wissenschaftlicher Bemühungen gibt es gegen Alzheimer keine medikamentöse Therapie, die den Krankheitsverlauf umkehren, verlangsamen oder stoppen könnte. Doch je früher Alzheimer erkannt wird, desto besser lässt sich der Krankheitsverlauf beeinflussen. Ein Bluttest kann die Erkrankung nun bereits in einem noch symptomlosen Stadium aufspüren. Ein Durchbruch?

Forschern gelang es 2019 einen Test zu entwickeln, der im Blut von Menschen sehr frühzeitig nachweist, ob das Gehirn mit Proteinen belastet ist. Denn schon lange vor den ersten Symptomen faltet sich das Protein Amyloid-Beta bei Alzheimerpatienten auf krankhafte Weise falsch. Quasi ein Frühwarnsystem, das viele Jahre vorher anzeigt, ob eine völlig symptomlose Person an Alzheimer-Demenz erkranken könnte. Dieser Bluttest kann die Erkrankung etwa acht Jahre vor den ersten Symptomen feststellen. "Damit ist ein neuer Weg für sehr frühe Therapieansätze geebnet", sagt Klaus Gerwert. Dem Professor von der Ruhr-Universität (RUB) und seinem Team gelang mit dem Deutschen Krebsforschungsinstitut in Heidelberg (DKFZ) den einfachen und kostengünstigen Test zu entwickeln. "Der Bluttest kann die Erkrankung bereits in einem noch symptomlosen Stadium aufspüren und Personen identifizieren, die ein besonders hohes Risiko haben, Alzheimer zu entwickeln", erklärt Gerwert.

Bei der Alzheimer-Krankheit kommt es nachweislich zu einer Fehlfaltung eines bestimmten Proteins. Die fehlgefalteten Proteine verklumpen und lagern sich als Plaques im Gehirn ab. Auch das TAU-Protein spielt eine Rolle. Die Alzheimerkrankheit kann mit derzeitigen Techniken erst erkannt werden, wenn sich die typischen Plaques im Gehirn bereits gebildet haben. Aber dann ist keine Therapie mehr möglich. Aus diesem Grund kann der Bluttest zur Früherkennung der Alzheimer-Demenz in Zukunft eine sehr wichtige Rolle spielen.

Der neue Bluttest ist ein wesentlicher Fortschritt, aber noch kein Durchbruch. In wenigen Fällen liefert der Test fälschlicherweise ein positives Ergebnis. Um die Anzahl der korrekt erkannten Alzheimerfälle zu erhöhen und die der falsch positiven Diagnosen zu reduzieren, arbeiteten die Forscher mit Hochdruck an seiner Optimierung. Um dies voranzutreiben beteiligt sich seit Anfang 2020 auch die "Alzheimer Forschung Initiative e.V." an der Weiterentwicklung des Bluttests.

Durch die Kombination zweier neuer diagnostischer Methoden versuchen die Forscher nun anhand der Blutwerte vorherzusagen, welche Probanden tatsächlich erkranken werden und wann dies passieren wird. Daran forscht Professor Gerwert aktuell gemeinsam mit Philip Scheltens, Professor vom University Medical Center Amsterdam. Gerwert will Testverfahren kombinieren, um die Aussagekraft des Bluttests weiter zu erhöhen.

Ziel: Fortschreiten der Krankheit aufhalten

Die ersten Prozesse im Gehirn scheinen bereits Jahrzehnte vor den sichtbaren Symptomen aus dem Ruder zu laufen. Langfristig könnte der Bluttest dazu führen, dass Alzheimer in einer solch frühen Phase erkannt wird, um die Entwicklung der Erkrankung stark zu verlangsamen. Doch noch ist Alzheimer eine Krankheit, die nicht verhindert werden kann. Und früh diagnostiziert werden kann die Alzheimer-Erkrankung bislang nur mit teuren bildgebenden Verfahren, wie der Positronen-Emissions-Tomographie (PET), oder anhand veränderter Biomarker in der Rückenmarksflüssigkeit.

Gegen das Absterben der Nervenzellen gibt es zwar bisher keine Therapie. Allerdings zeigen epidemiologische Studien, dass vor allem zwei beeinflussbare Faktoren die Entstehung von Alzheimer weiter begünstigen. Das ist erstens ein Mangel an geistiger Aktivität und zweitens fehlende körperlicher Aktivität. Beide Faktoren können beeinflusst werden. Enorme Bedeutung für das Hinauszögern der Alzheimertypischen Störungen hat Bewegung. Bereits moderate körperliche Aktivität reicht aus, um einen positiven Effekt auf die Hirnleistung zu erzielen. Zeitlebens bilden sich im Gehirn neue Nervenzellen. Dieser als Neurogenese bezeichnete Prozess wird bei körperlicher Aktivität angekurbelt.

Es liegt in den Genen

70 bis 80 Prozent des Alzheimer-Risikos einer Bevölkerung liegt in den Genen, vermuten Neurowissenschaftler. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Mutation des Gens ApoE4 eine besondere Bedeutung bei der Entstehung von Alzheimer-Demenz haben könnte. Aber das allein reicht nicht aus, um eine Demenz zu entwickeln. Wer diese Genmutation nicht hat, kann trotzdem erkranken.

Alzheimer ist eine hochkomplexe Erkrankung, bei der verschiedene molekulare Prozesse eine Rolle spielen, allen voran die Genmutation mit dem Namen apoE4. Das Eiweiß apoE ist wichtig für den Fettstoffwechsel des menschlichen Organismus. Dessen Mutation trägt die Bezeichnung apoE4. Sie ist die fehlerhafte Kopie des normalen Eiweißes apoE3. Im Gegensatz zu dessen auseinandergespreizter Molekularstruktur ist die apoE4-Variante an ihren Enden wie zusammengefaltet. Heute wissen die Forscher, dass bis zu 80 Prozent der Alzheimerpatienten diese Variante aufweisen. Doch nicht alle Träger der Mutation erkranken. Das veränderte Gen kommt sogar relativ häufig in der Bevölkerung vor.

Für den Ausbruch von Alzheimer muss noch ein weiterer, äußerer Anlass hinzukommen: Altern, Stress, die Verletzung von Gehirnzellen – beispielsweise durch einen kräftigen Schlag – oder eine geringe Sauerstoffzufuhr des Gehirns. Solche Ereignisse kurbeln die Produktion von apoE an, denn das Protein ist fundamental wichtig, um verletzte Nervenzellen im Hirn zu reparieren. Wird bei der Reparatur die falsche Kopie erzeugt, entsteht apoE4. In der Folge zerfällt das strukturdefekte apoE4 in viele kleine Teile und wirkt toxisch auf die Nervenzellen. Die einzelnen Fragmente treten unter anderem in Wechselwirkung mit den Mitochondrien, den Energielieferanten der Zelle. Das Ergebnis ist ein Nervensterben mit Auswirkungen auf die Lernfunktion und die Erinnerung.

Wer sich selbst einmal testen möchte: Die Alzheimer Forschung Initiative e.V. bietet einen Online-Alzheimertest an. Die Bonner Alzheimer Gesellschaft hat unter anderem eine Selbsthilfegruppe für "Frühbetroffene Menschen mit Demenz". Sie richtet sich an Personen mit einer beginnenden Demenz. Dies gilt unabhängig vom Alter des Betroffenen. Eine vorherige Anmeldung ist erforderlich unter: info@alzheimer-bonn.de oder Tel. 0228 – 944 994 66.

Zehn Alarmsignale für Alzheimer

Diese Symptome sind typisch für eine bereits fortgeschrittene Alzheimer-Erkrankung:

1. Gedächtnislücken: Auffallende Veränderungen im Lebensalltag: wichtige Termine vergessen, ohne Schlüssel aus dem Haus gehen, die Orientierung für gewohnte Wegestrecken verlieren.

2. Alltag nicht mehr planbar: Planen des Einkaufs für die kommenden Tage wird immer schwieriger. Der Umgang mit Zahlen etwa beim Begleichen von Rechnungen oder die Uhrzeit ablesen, ist stark beeinträchtigt.

3. Gewohntes wird herausfordernd: Jahrzehntelang Geübtes ist nicht mehr möglich. Etwa beim Skat-Abend mit Freunden sind die Spielregeln des Kartenspiels plötzlich nicht mehr präsent.

4. Orientierung fehlt: "Welche Buslinie muss ich nehmen, um meine alte Bekannte zu besuchen?", "Wo ist das Auto geparkt?", "Wann kommen die Enkel mich besuchen?" - zeitliche und räumliche Orientierungslosigkeit ist eines der prägnantesten Alarmzeichen.

5. Wahrnehmungsstörungen: Bilder, Farben, Kontraste erkennen und räumliche Dimensionen erfassen wird schwieriger. Auch das Lesen leidet. Selbst das Wiedererkennen von vertrauten Gesichtern ist beeinträchtigt.

6. Füllwörter und häufige Wiederholungen: Es gibt immer häufiger Wortfindungsprobleme. Einer Unterhaltung zu folgen ist mühselig, der Gesprächsfaden geht immer wieder verloren, unpassende Füllwörter und Wiederholungen sind die Regel.

7. Kuriose Plätze für Gegenstände: Vergessene Gegenstände liegen an ungewöhnlichen Stellen: der Autoschlüssel ist im Kühlschrank, die Brille im Geschirrschrank oder die TV-Fernbedienung im Briefkasten.

8. Entscheidungen fallen schwer: Vernünftige Entscheidungen sind kaum mehr möglich. Das fällt bei der Kleiderwahl auf: Winterstiefel im Sommer, Bademantel statt Jacke.

9. Die Persönlichkeit verändert sich: Ehemals sanftmütige, ausgeglichene Menschen neigen zu Streitbarkeit, Misstrauen und sogar Feindseligkeit.

10. Unruhe: Starkes Unbehagen an fremden Orten sowie Ruhe- und Rastlosigkeit nehmen zu.

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