„Mein ganzer Körper tut mir ständig weh. Ich habe eine Arzt-Odyssee hinter mir, aber niemand konnte bisher eine körperliche Ursache dafür feststellen“, beschrieb mir vor ein paar Monaten ein 73-Jähriger seinen Leidensweg. Rund 17 Prozent aller Menschen leiden unter chronischen Schmerzen, belegt eine internationale Studie, der „Pain in Europe Survey“. Doch vielfach haben die Kopf-, Nacken- oder Rückenschmerzen gar keine organische Ursache, sondern sind psychisch bedingt. „Häufig verbergen sich hinter Schmerzattacken ohne organischen Fokus depressive Verstimmungen“, erklärte ich meinem Patienten. Auch Magen und Darmbeschwerden oder andere körperliche Funktionsstörungen können auf eine psychische Belastung hinweisen. Nicht selten sind die körperlichen Symptome sogar ausgeprägter als die psychischen – insbesondere bei älteren Menschen. Die Folge: Als typische Alterserscheinung werden sie medizinisch vielfach falsch interpretiert und unzureichend behandelt. Die Depression „versteckt“ sich hinter den körperlichen Beschwerden. Nach einer eingehenden Untersuchung des Patienten stand fest: So war es auch bei ihm.
Aber nicht nur körperliche Schmerzen können Ausdruck einer Depression sein. Die Krankheit hat viele Gesichter. Rund 20 bis 25 Prozent aller depressiven Menschen leiden unter einer weniger prägnanten Form der Schwermut, der sogenannten Dysthymie. Die typischen Symptome – unter anderem Trauer, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung – gleichen zwar denen einer Depression, sind aber weitaus schwächer ausgeprägt. Fatal wird es, wenn zu der chronischen Niedergeschlagenheit eine depressive Episode hinzukommt – beispielsweise durch einen Jobverlust oder andere einschneidende Ereignisse – und somit buchstäblich eine „Doppeldepression“ entsteht. Diese ist zwar selten, aber für Betroffene und ihr Umfeld äußerst belastend. Vielfach ist es ihnen zum Beispiel unmöglich, morgens früh aufzustehen. Sie isolieren sich oft völlig und sind nicht mehr in der Lage, ihrem Berufs- oder Privatleben nachzukommen. Im Gegensatz zur leichter ausgeprägten Verstimmung sind die Beschwerden bei einer Depression tiefgehender, einschneidender und noch belastender. Antriebslosigkeit, Trübsinn und Verzweiflung bestimmen das Leben – und das nicht nur für ein, zwei Tage, sondern oft über Monate und Jahre. In vielen Fällen gehen einer Depression einschneidende Erlebnisse voraus, wie etwa der Tod des Lebenspartners, der Eltern oder schwere Erkrankungen. Halten depressive Verstimmungen länger als zwei oder drei Wochen an, so sollte der Hausarzt aufgesucht werden. Dieser kann beurteilen, ob psychiatrische oder psychotherapeutische Hilfe erforderlich ist und ob eventuell eine Depression die Ursache der Beschwerden ist.