15.07.2024 Arzt-Kolumne

Diagnose Brustkrebs: Zweitmeinung einholen

Von Professor Dr. Sherko Kümmel l
Professor Dr. Sherko Kümmel leitet als Direktor die Klinik für Senologie/Brustzentrum 
der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte. Er 
ist an der Entwicklung und Etablierung von 
nationalen und internationalen Therapie-Standards beteiligt und unter anderem Mitglied der 
„Westdeutschen Studiengruppe“ (WSG). Diese 
bundesweite Forschungseinrichtung widmet 
sich der ständigen Optimierung von Brustkrebs-Behandlungen
Professor Dr. Sherko Kümmel leitet als Direktor die Klinik für Senologie/Brustzentrum der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte. Er ist an der Entwicklung und Etablierung von nationalen und internationalen Therapie-Standards beteiligt und unter anderem Mitglied der „Westdeutschen Studiengruppe“ (WSG). Diese bundesweite Forschungseinrichtung widmet sich der ständigen Optimierung von Brustkrebs-Behandlungen Fotoquelle:  Evang. Kliniken Essen-Mitte

Bei ihrer persönlichen Vorsorge hatte meine 38-jährige Patientin eine Auffälligkeit ertastet, einen Knubbel in der Brust. Sie war sehr beunruhigt. Ihr Gynäkologe schickte sie in ein kleines Brustzentrum. Die Diagnose brachte Gewissheit: Brustkrebs. Die aus Sicht der Mediziner alternativlose Therapie waren Chemo, komplette Brustentfernung per OP und Bestrahlung.

„Ich wollte keine Chemo, und es war richtig, dass ich auf eine Zweitmeinung setzte und zu Ihnen kam“, sagte die Patientin rückblickend in meiner Sprechstunde. Die Evangelischen Kliniken Essen-Mitte sind eines der größten Frauenkrebszentren Deutschlands. Es gibt zahlreiche Krankenhäuser in Deutschland, die Brustkrebs behandeln und weniger als 50 Fälle im Jahr operieren. In unserem von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Brustzentrum werden pro Jahr über 2500 Menschen an der Brust operiert. Quantität, aus der sich Qualität für Patientinnen ableiten lässt: Eine Studie belegt, dass Frauen, die in zertifizierten Zentren behandelt werden, einen Überlebensvorteil haben.

Auch für die 38-jährige Patientin änderte sich mit der Zweitmeinung an den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte der Therapie-Plan. Und sie ging den Weg ohne Bedenken mit. Die Patientin nahm an einer klinischen Studie teil. Ihr hormonsensibler Brusttumor wurde statt mit einer Chemotherapie mit einer Antihormon-Therapie behandelt.

Wir wenden die kurze Antihormontherapie bereits vor einer OP an unserem Klinikum seit zehn Jahren täglich an. Bei fast zwei Dritteln der Frauen verändern sich die Tumorzellen schon nach zwei bis vier Wochen. So auch bei dieser Patientin. Sie wurde brusterhaltend operiert, danach folgte die Bestrahlung. Die Krebszellen haben sensibel auf die Antihormontherapie reagiert, und ein zusätzlicher molekulargenetischer Test zeigte im Rahmen dieser Studie ein geringes Rückfallrisiko an, sodass eine körperlich sehr belastende Chemo-Therapie nicht mehr notwendig war.

Der Krebs ist mit einer hohen Wahrscheinlichkeit besiegt. Die Patientin lebt beschwerdefrei, fühlt sich gesund, strahlt wie die Sonne. Ihre Familie und ihr Leben sind wieder in den Vordergrund gerückt. Sie geht regelmäßig zu Ihrer Frauenärztin zur Nachuntersuchung inklusive Ultraschalls, zur Mammographie meldet sie sich einmal im Jahr im Zentrum an. „Sie haben nach dem heutigen Kenntnisstand alles richtig gemacht. In Ihrem Fall ist keine Chemotherapie erforderlich, somit können wir Ihnen heute eine sehr gute Prognose ausstellen“, konnte ich der 38-Jährigen mit auf den Weg geben.

Deshalb auch meine Empfehlung für alle Brustkrebs-Patientinnen: „Stetige Vorsorge, bei Auffälligkeit oder Befund bitte die Frauenärztin aufsuchen und sich bei Bedarf in einem von der Krebsgesellschaft zertifizierten Brustkrebszentrum behandeln lassen. Dort erfolgt eine individualisierte und patientenorientierte Therapie. Und nach der Behandlung: regelmäßige Nachsorge.“