Dr. Anne-Christine Müseler gibt in der Arzt-Kolumne Informationen und Ratschläge zum Thema Neurodermitis.
„Ich habe in letzter Zeit ständig einen sehr unangenehmen Juckreiz im Nacken. Könnte ich etwa an dieser Stelle auch Neurodermitis haben?“ Das fragte mich vor kurzem ein 45-jähriger Patient in meiner Sprechstunde. Nach einer eingehenden Untersuchung bestätigte sich seine Vermutung. Während viele Betroffene bei Neurodermitis sofort an juckende Ekzeme in den Ellen- und Kniebeugen sowie an den Händen denken, sind sie überrascht, wenn sie an dieser Stelle Symptome haben. „Stark juckende Ekzeme, die sich bei Ihnen vor allem im Nacken gebildet haben, sind in Ihrer Altersgruppe durchaus typisch für diese Hauterkrankung“, erklärte ich ihm. Die Symptome können ebenfalls am Hals und im Gesicht auftreten.
Auch wenn die atopische Dermatitis, so der Fachbegriff für Neurodermitis, eine chronische Erkrankung ist, kann sie gut behandelt werden. „Dank vielfältiger Therapieoptionen lässt sich der besonders belastende Juckreiz lindern und damit der Teufelskreis aus Jucken, Kratzen und Entzündung durchbrechen“, beruhigte ich meinen Patienten. Bei der atopischen Dermatitis werden mehrere Schweregrade unterschieden, die insbesondere mit Hilfe unterschiedlicher Scores ermittelt werden können. Zentraler Baustein in der Behandlung ist in allen Fällen eine topische Basistherapie, das heißt, betroffene Hautstellen werden äußerlich mit Salben, Cremes und Lotionen behandelt. Als Ergänzung kommen je nach Ausmaß der Symptome entzündungshemmende Medikamente und verschiedene Lichttherapien zum Einsatz.
Besondere Fortschritte gibt es in jüngster Zeit in der Entwicklung von Biologika für die Behandlung mittelschwer bis schwer ausgeprägter Symptome. Während sie zunächst Erwachsenen vorbehalten waren, können mit manchen mittlerweile auch Jugendliche und Kinder ab dem sechsten Lebensmonat therapiert werden. Dabei handelt es sich in der Regel um gut verträgliche Systemtherapien in Form von Injektionen, die bereits nach wenigen Wochen zu einer Verbesserung des Hautbefundes führen können.
Für meinem Patienten konnte ich einen anderen Therapieansatz mit sogenannten Januskinase-Inhibitoren (JAK-Inhibitoren) in Form von Tabletten anwenden. Diese sind ebenfalls zum Teil schon im Kindes- und Jugendalter zugelassen. Alle Therapien dämmen den Juckreiz und die Entzündung ein, indem sie körpereigene Botenstoffe blockieren, die diese Symptome hervorrufen. So auch bei meinem 45-jährigen Patienten. Bei ihm ließ der Juckreiz bereits nach wenigen Tagen mit Hilfe der Tabletten spürbar nach.
Ursache für atopische Dermatitis ist meist eine angeborene Schwäche der Hautbarriere und ein gestörtes Immunsystem der Haut. Schubweise können sich die Symptome verschlechtern, unter anderem bedingt durch Stress, Allergien oder klimatische Bedingungen. Bei Frauen können auch hormonelle Faktoren und Schwangerschaft eine Rolle spielen. 3,5 bis fünf Millionen Deutsche leiden an Neurodermitis. Kinder und Jugendliche mit 15 Prozent deutlich häufiger als Erwachsene, hier sind zwei bis drei Prozent betroffen. Oft zeichnen sich erste Anzeichen schon im Kindesalter ab