15.03.2022 Gesundheit

Darmspiegelung: Vorsorge erspart Krebs

Von Annette Bulut

Um Vorstufen von Darmkrebs zu erkennen, gibt es keine bessere Methode als die Darmspiegelung. Doch die Deutschen nehmen diese kostenlose Vorsorge-Untersuchung nach wie vor nur sehr zögerlich an. Der unangenehmste Teil der Prozedur sei nicht die Untersuchung, sondern die Vorbereitung, sagt der Düsseldorfer Spezialist Dr. Devid Tusek und erklärt, warum eine Darmspiegelung eine lebensrettende Maßnahme sein kann.

Darmkrebs zählt zu den häufigsten Krebserkrankungen weltweit. Erstaunlich, denn diese Krebsart ist am einfachsten vermeidbar. In Düsseldorf erkranken jährlich rund 3.800 Menschen neu. "Um diese Zahl mal anschaulicher zu machen: Düsseldorf hat rund 3.800 Straßen. In jeder einzelnen Straße Düsseldorfs erkrankt also statistisch jedes Jahr ein Mensch an Darmkrebs. Wäre diese Person zur Darmspiegelung gegangen, hätte die Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit vermieden werden können", sagt Tusek, der als niedergelassener Facharzt im Stadtteil Derendorf die "Chirurgie- und Enddarmpraxis Düsseldorf" gemeinsam mit Priv.-Doz. Dr. Ralph Schneider führt.

Immer mehr Menschen unterziehen sich zwar in den letzten Jahren einer Darmspiegelung, aber immer noch nicht genug. Warum nehmen trotz der effektiven Krebsvorsorge zu wenige über 50-Jährige die Vorsorge-Untersuchung wahr? Viele halten sie nicht für notwendig oder empfinden Scham. "Was für uns Proktologen das tägliche Brot ist, wird von den betroffenen Patienten teilweise als peinlich empfunden. Wir wissen das und achten sehr auf die Privatsphäre des Patienten. Deshalb fragen sich nach der Untersuchung nahezu alle unsere Patienten: Wieso habe ich das nicht schon viel früher gemacht?", so die Erfahrung von Tusek, der in seiner Praxis über 1.000 Darmspiegelungen im Jahr durchführt.

Darmkrebs entsteht aus Darmpolypen

Darmkrebs entsteht fast immer aus Wucherungen der Darmwand, die in den Darm hineinragen, den Darmpolypen. Die meisten Polypen bleiben klein und harmlos. Manche wachsen aber über Jahre, und einige werden bösartig. Fast jeder Tumor entsteht aus einem gutartigen Tumor. "Ein Polyp kann mehrere Jahre im Körper sein, bevor er bösartig wird", so der Düsseldorfer Experte. Das Gute: Darmpolypen können bei einer Darmspiegelung entfernt werden, bevor sie sich möglicherweise zu einem tödlichen Darmkrebs entwickeln. Experten einig: es gibt keine bessere Methode, um die Vorstufen von Darmkrebs rechtzeitig zu erkennen. Denn während der Untersuchung werden vorhandene Polypen auch gleichzeitig entfernt und damit können Darmspiegelungen das Entstehen von Krebs effektiv verhindern. "Und deshalb ist eine Darmspiegelung eine lebensrettende Maßnahme", sagt Tusek.

Männer ab 50 Jahre, Frauen ab 55 Jahre

Die meisten Polypen entstehen in einem Lebensalter um die 50 Jahre. Männer haben aus diesem Grund ab einem Alter von 50 Jahren gesetzlichen Anspruch auf eine Koloskopie. Bei Frauen liegt die Altersgrenze für die Koloskopie bei 55 Jahren, da sie ein etwas späteres Risiko als Männer haben, an Darmkrebs zu erkranken. Eine erneute Vorsorgeuntersuchung kann nach Ablauf von zehn Kalenderjahren durchgeführt werden.

Vorbereitung mit Abführmittel

Vor der Darmspiegelung sollte der Darm vollständig entleert sein. Dazu muss man vor der Untersuchung ein Abführmittel mit reichlich Flüssigkeit trinken. Früher musste man bis zu fünf Liter trinken. Doch das ist heute nicht mehr so. "Das spezielle Abführmittel, das man in Wasser auflöst, schmeckt ähnlich wie eine bekannte Kinderbrause. Der Patient trinkt am Abend vor der Untersuchung ein Glas des Abführmittels und am Morgen nochmals eins", beschreibt Tusek den notwendigen Reinigungsprozess vor der Darmspiegelung. Auf feste Kost muss man einige Stunden vor dem Abführen bis nach der Darmspiegelung verzichten. Nach der Darmspiegelung ist es normalerweise sofort wieder möglich zu essen. Wenn größere Polypen entfernt wurden, kann es aber sinnvoll sein, noch eine Weile damit zu warten.

Wie läuft eine Darmspiegelung ab?

Bei der Darmspiegelung untersucht ein Proktologe oder Gastroenterologe mithilfe eines Koloskops den gesamten Dickdarm. Ein Koloskop ist ein flexibler Schlauch von etwa 1 cm Durchmesser. An seiner Spitze befinden sich eine kleine Lichtquelle und eine HD-Videokamera. Das Koloskop wird durch den After eingeführt und bis zum Übergang zwischen Dick- und Dünndarm vorgeschoben. Während der Untersuchung wird der Darm mit Luft geweitet, um die Sicht auf die Darmschleimhaut zu verbessern. Die Luft wird nach der Darmspiegelung wieder entfernt. Die Untersuchung selbst dauert rund 20 Minuten; inklusive der Zeit im Aufwachraum hält sich der Patient insgesamt rund 75 Minuten in der Praxis auf. Sind Darmpolypen vorhanden, werden sie mit einer Schlinge abgetragen. "Das Entfernen der Darmpolypen tut nicht weh. Der Patient bekommt von der eigentlichen Behandlung nämlich gar nichts mit. Er erhält vor der Untersuchung eine Schlafspritze mit einem sicheren und hochmodernen Schlafmittel", so Tusek. Das entfernte Gewebe wird sofort im Labor auf Krebszellen untersucht. Der Patient erhält den Untersuchungsbericht sofort und das Ergebnis der Gewebeuntersuchung zwei Tage nach der Darmspiegelung.

Darmpolyp gefunden

Die meisten Polypen sind gutartig. Wird nur ein einzelner kleiner und unauffälliger Polyp entdeckt wird, reicht es, mit der nächsten Darmspiegelung fünf Jahre zu warten. Wenn ein auffälliger oder größerer Polyp dabei war oder mehr als drei Polypen entfernt wurden, ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass in den nächsten Jahren weitere Polypen wachsen. Deshalb wird dann die nächste Koloskopie bereits nach drei bis fünf Jahren empfohlen. Die Kosten übernimmt die gesetzliche Krankenkasse. Wenn bei der Gewebeuntersuchung Darmkrebs entdeckt wird, hängt die Behandlung vom Stadium des Tumors ab. Im Frühstadium reicht es aus, den Krebs operativ zu entfernen. Die Heilungschancen sind dann sehr gut. In fortgeschrittenen Stadien sind oft Behandlungen zusätzliche Behandlungen wie Chemotherapie und Bestrahlung nötig. Bis zu 70 Prozent der entdeckten Tumore sind heilbar.

Zahlen und Fakten:

Rund 1,4 Millionen Menschen weltweit sind an Darmkrebs erkrankt, etwa die Hälfte stirbt an Darmkrebs. In Deutschland wird jedes Jahr bei knapp 33.000 Männer und 26.000 Frauen Darmkrebs entdeckt. Alle Krankenversicherten ab einem Alter von 50 Jahren erhalten alle fünf Jahre ein persönliches Einladungsschreiben zur Früherkennung von Darmkrebs und ein Angebot für einen Test auf verborgenes Blut im Stuhl. Zur Früherkennung von Darmkrebs kann im Alter von 50 bis 54 Jahren jährlich und ab 55 Jahren alle zwei Jahre ein immunologischer Test auf verstecktes Blut im Stuhl durchgeführt werden. Alternativ können Männer ab 50 Jahren und Frauen ab 55 Jahren erstmalig eine Darmspiegelung in Anspruch nehmen.

Risikofaktoren für Darmkrebs

Wer nahe Verwandte hat, die an Darmkrebs erkrankt sind, hat ein genetisch erhöhtes Risiko, ebenfalls an Darmkrebs zu erkranken: wenn Eltern oder Geschwister bereits an Darmkrebs erkrankt sind, verdoppelt sich das Erkrankungsrisiko.

Die wichtigsten Risikofaktoren für Darmkrebs gehen aber auf einen ungesunden Lebensstil zurück. Tabakkonsum, Übergewicht, Bewegungsmangel, ballaststoffarme Ernährung und rotes Fleisch. Menschen mit einem Body-Mass-Index mehr als 25 haben ein höheres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit nimmt weiter zu, je stärker das Übergewicht ist. Auch Personen mit regelmäßigem Alkohol- und Tabakkonsum steigern ihr Darmkrebsrisiko.

Der Grund: die Darmzellen nehmen alle Schadstoffe auf. Die Schadstoffe erzeugen durch oxidativen Stress Substanzen, die den Stoffwechsel stören und können zu Entzündungen und Erbgutschäden führen. Nikotin gelangt über die Lunge ins Blut und dann in den Dickdarm. Dort schädigt es die Darmzellen. Alkohol gelangt durch die Dünndarmwand in den Blutkreislauf. Beim Alkoholabbau entstehen Substanzen, die im Dickdarm Entzündungen hervorrufen können. Auch Fettzellen aufgrund von Übergewicht bilden Botenstoffe, die Entzündungen fördern. Der Verzehr von gebratenem rotem Fleisch transportiert Schadstoffe in den Dünndarm.

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