15.09.2015 Gesund & Fit

Der Rücken: Sensibler Geheimnisträger

von Maxi Rutka
So sollte es sein: Wer seinen Rücken nicht spürt, trägt das Töchterchen mit Freuden.
So sollte es sein: Wer seinen Rücken nicht spürt, trägt das Töchterchen mit Freuden. Fotoquelle: Robert Kneschke/Fotolia

Was schmerzt da eigentlich? Und was hilft? Warum uns der Rücken ständig Rätsel aufgibt.

Die Regeln sind bekannt. Man findet sie in den Broschüren, die im Wartezimmer ausliegen. Man bekommt sie mit dem dicken Versprechen sofortiger Hilfe in einschlägigen Illustrierten offeriert.

Rückenschmerzen müssten nicht sein, heißt es da. Man könne ihnen vorbeugen, man könne sie behandeln. Warum bleiben trotzdem so viele Rückenschmerzen übrig, dass alle Welt ständig klagt?

Wir wissen: Im Stehen arbeitet es sich gesünder. Ein normaler Rücken verflucht den Sitzenden und rächt sich. Irgendwann. Also, Stehpult angeschafft! Aber mal ehrlich, wie viele Stehpulte haben Sie in letzter Zeit gesichtet?

Der Rücken liebt die Aufsteiger

Wir wissen: Treppensteigen ist gesünder als Fahrstuhlfahren. Der Rücken liebt die Aufsteiger. Aber sagen Sie das mal den Leuten, die im 11. Stock arbeiten. Vielleicht macht's die Mischung: bis 6 steigen, ab dort fahren ...

Wir wissen auch, dass wir uns auf tausenderlei Arten dehnen können. Hilft! Aber auf die Dauer schwänzen wir das Dehnen, und der Rücken lässt sich nichts vormachen.

Dabei sind die meisten Rückenschmerzen harmlos. Die Allgemeinmedizinerin Dr. Annette Becker von der Marburger Philipps- Universität vergleicht sie mit Schnupfen. "Da muss man wirklich nicht jedes Mal zum Arzt gehen."

Zählen wir einfach mal auf, was außer Dehnübungen an Hilfen zur Verfügung steht: Salben gegen die Schmerzen und Gele mit ätherischen Ölen, die für Entspannung sorgen, Wärmepflaster und Wärmflasche, heiße Bäder und, und, und. Es ist wirklich nicht so, dass wir dem Rücken nichts entgegenzusetzen hätten!

Bei wenigen Leiden ist der Grat zwischen Gefühltem und Gefahr, zwischen Mode und Malaise so schmal wie bei Rückenschmerzen. Ein wenig Selbstkenntnis kann hilfreich sein: Neigung zur Hypochondrie?

Bis hin zu Depressionen

Denn Schmerzen, die sich nicht auf eine bestimmte anatomische Fehlstellung oder Erkrankung zurückführen lassen, machen uns fuchsteufelswild. Es ist erwiesen, dass viele Schmerzen einen psychischen Hintergrund haben, besonders Rückenschmerzen. Prüfungsängste oder andere schwierige Lebensabschnitte können Schmerzen auslösen oder verstärken. Das zeitigt in vielen Fällen schlimme Folgen – bis hin zu Depressionen. Deshalb werden Patienten in manchen Therapien über die rein medizinischen Maßnahmen hinaus auch psychologisch und psychotherapeutisch betreut.

Letzter Ausweg Operation? Schaffen Medikamente keine Linderung, empfehlen viele Ärzte eine Operation. Sie erscheint indes nur dann ratsam zu sein, wenn der Casus knacksus im Rücken eindeutig lokalisiert ist.

Genau daran aber mangelt es bei vielen Rückenpatienten. Die Unklarheit über die Ursache des Schmerzes ist das, was Rückenleiden mystifiziert.

Das Dilemma bei vielen Rückenleiden

Wer sich bei einem Sturz einen Wirbel gebrochen hat oder unter der Entzündung eines Gelenkes leidet, für den besteht wenigstens Klarheit. Das Dilemma bei vielen Rückenleiden beschreibt eine launige Redewendung: Nichts Genaues weiß man nicht. Nur dass es wehtut, steht fest. Eine WDR-Radiosendung bezifferte den Anteil der sogenannten "unspezifischen Rückenleiden" auf 80 Prozent. Vier Fünftel aller Rückenschmerzen bleiben demnach ohne eine klare anatomische Erklärung.

Das lässt viel Raum für weissagerische Erklärungsversuche. Die Seele macht's, das ist noch der häufigste. Aber was ist die Seele? Und was macht sie?

Fehlende sexuelle Befriedigung wird besonders bei Frauen gern angeführt – ohne jede statistische Grundlage. Ist eine gerade Körperhaltung gut für den Rücken? Oder eher eine lässig hingefläzte? Der Rücken bleibt rätselhaft.