23.01.2023 Arzt-Kolumne

So bleiben Sie gelassen

Von Dr. Carsten Lekutat
Dr. Carsten Lekutat ist niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin und Sportarzt in Berlin, Buchautor sowie Moderator der MDR-Fernsehsendung „Hauptsache Gesund“.
Dr. Carsten Lekutat ist niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin und Sportarzt in Berlin, Buchautor sowie Moderator der MDR-Fernsehsendung „Hauptsache Gesund“. Fotoquelle: privat

In der heutigen Zeit stehen immer mehr Menschen unter dauerhaftem Stress. Wie soll man da noch ruhig und gelassen durch das Leben gehen? Dr. Carsten Lekutat verrät, mit welchen Tricks die innere Ruhe endlich gelingt.

„Ich könnte mich nur aufregen: über meinen Mann, der immer verspätet ist, meine Kinder, die zu Hause überall ihre Spielsachen rumliegen lassen und meine Chefin, die mir abends noch Nachrichten schickt. Im Büro gelte ich schon als die Frau, die schnell aus der Haut fährt. Es muss sich etwas ändern. Aber wie?“, fragte mich eine gestresste 32-jährige berufstätige zweifache Mutter kürzlich. Leider lässt sich das Verhalten der anderen Menschen sehr viel schwieriger ändern als das eigene. Und weil das so ist, nützt es meistens nichts, sich darüber aufzuregen. Dennoch ist es nicht gut, den Ärger in sich hineinzufressen – vor allem, wenn er berechtigt ist. „Sprechen Sie innerhalb der Familie und im Büro die Themen an, die sie nerven. Aber genauso wichtig ist es, dass sie dabei ruhig und gelassen bleiben. Das funktioniert sehr gut mit kleinen, einfachen Achtsamkeitsübungen im Alltag“, empfahl ich meiner Patientin.

Wie das geht, beruht auf einer wesentlichen Erkenntnis der Quantenphysik. Nämlich, dass die Beobachtung eines Teilchens seinen Zustand beeinflusst. Auf Gefühle übertragen, bedeutet das: Wenn ich ein Gefühl achtsam wahrnehme und es wie ein Forscher von außen betrachte, dann wird sich dieses Gefühl verändern – und zwar ohne, dass ich es bewusst beeinflusse. „Ich empfehle Ihnen, sich bestimmte Schlüsselreize oder Situationen zu suchen, die Sie daran erinnern, einen kleinen Moment der Achtsamkeit einzulegen. Eine eingehende Nachricht Ihrer Chefin auf Ihrem Smartphone wäre zum Beispiel ein Schlüsselreiz. Denn jedes Mal, wenn es piepst oder klingelt, könnten Sie sich daran erinnern, für einige Sekunden einfach mal wahrzunehmen, was gerade ist. Was haben Sie gerade gedacht, gesehen oder gefühlt?“, erklärte ich der Patientin. Ich riet der 32-Jährigen, in solchen Momenten innezuhalten und eine kurze Übung der Achtsamkeit durchzuführen. Achtsamkeit üben bedeutet achtsames Beobachten, ohne das Ereignis zu bewerten. Wie häufig versuchen wir, Ereignisse zu erzwingen? Wie viel Kraft bringen wir tagtäglich dafür auf, Menschen und Dinge zu beeinflussen und zu lenken? Allein die reine Beobachtung der Vorgänge in und um uns herum kann sie verändern. „Bleiben Sie quasi am Wegesrand stehen und lassen Sie Ihre Seele nachkommen“, erklärte ich.

Jeder kennt den Drang, eine eingehende Nachricht auf dem Smartphone sofort zu lesen. Aber es verändert sich etwas, wenn man dem nicht gleich nachgibt und stattdessen die Unterbrechung nutzt, um eine kleine Übung der Achtsamkeit einzuschieben. Ich empfahl daher meiner Patientin: „Verankern Sie sich für diesen kurzen Moment in dem einzigen Leben, was Sie haben: im Jetzt.“

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