21.06.2021 Arzt-Kolumne

Warum eine Krebstherapie aufs Herz gehen kann

von Tienush Rassaf
Prof. Dr. med. Tienush Rassaf ist Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie am Westdeutschen Herz- und Gefäßzentrum am Universitätsklinikum Essen.
Prof. Dr. med. Tienush Rassaf ist Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie am Westdeutschen Herz- und Gefäßzentrum am Universitätsklinikum Essen. Fotoquelle: Medienzentrum UK Essen

"Bin ich nicht zu jung für eine Herzschwäche?", fragte mich kürzlich eine 44-jährige Patientin. Sie klagte über Luftprobleme, Schmerzen in der Brust und Abgeschlagenheit. Vor mir hatten schon zahlreiche Ärzte vergeblich nach einer Ursache gesucht.

Ganz zufällig fand ich in ihren Unterlagen einen Hinweis auf eine 20 Jahre zurückliegende Krebstherapie. In der Tat sind Schädigungen am Herzen keine Seltenheit nach einer Bestrahlung. Besonders oft trifft es Frauen mit Brustkrebs. Ein Teil entwickelt sogar eine Herzschwäche. Besonders gefährdet sind Frauen, bei denen die linke Brust bestrahlt wurde. Die Strahlung kann – ähnlich wie bei einem Sonnenbrand die Haut – das Herz schädigen. So kann es etwa zu einer Vernarbung des Herzmuskels sowie zu Engstellen innerhalb der Herzgefäße kommen.

Nebenwirkungen der Krebsbehandlung, die das Herz-Kreislauf-System betreffen, können akut, wenige Monate nach der Therapie, aber auch erst 15 bis 20 Jahre später auftreten. Der Knackpunkt ist, dass diese dann oftmals nicht mehr auf die Tumortherapie zurückgeführt werden. Daher werden typische Anzeichen auch oftmals nicht als Symptome einer kardiologischen Erkrankung identifiziert. „Sie haben demnach ein deutlich höheres Risiko für Herzprobleme, die eigentlich völlig untypisch für Frauen in Ihrem Alter sind“, erklärte ich meiner Patientin.

Hinzu kommt, dass die Patientinnen und Patienten selbst nur in den seltensten Fällen auf ihre zurückliegende Krebsbehandlung verweisen. Umso wichtiger ist es, dass auch Ärzte noch einmal ganz explizit danach fragen. Besteht der Verdacht auf Schädigungen am Herzen, folgen ein Herzultraschall, eine spezielle Laboruntersuchung und ein EKG sowie gegebenenfalls weitere bildgebende Verfahren und eine Katheteruntersuchung – so auch bei unserer Patientin.

Dank einer Bypass-Operation und einem kleinen eingesetzten Defibrillator geht es meiner Patientin nun deutlich besser. Sie ist dauerhaft in kardiologischer Behandlung und nimmt Medikamente zur Stärkung des Herzmuskels.