26.05.2020 Arzt-Kolumne

Jugendliche aus der Essstörung holen

Von Ulrich Voderholzer
Prof. Dr. Ulrich Voderholzer ist Ärztlicher Direktor der Schön Klinik Roseneck am Chiemsee und Chefarzt Psychosomatik & Psychotherapie.
Prof. Dr. Ulrich Voderholzer ist Ärztlicher Direktor der Schön Klinik Roseneck am Chiemsee und Chefarzt Psychosomatik & Psychotherapie. Fotoquelle: Schön Klinik Roseneck

Vor etwa einem Monat wurde eine 16-jährige Schülerin in die Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee eingewiesen, die bereits seit zwei Jahren unter Magersucht leidet. Die junge Frau war stark abgemagert und wog bei einer Größe von 170 cm nur noch 41 Kilo."Meine Gedanken kreisen permanent nur noch ums Essen, meine Figur und mein Gewicht. Ich kann es einfach nicht stoppen. Mein Alltag wird massiv davon bestimmt. Wie kann ich das ändern?", fragte mich die 16-Jährige.

Magersucht, in der Fachsprache Anorexia nervosa genannt, ist eine sehr schwere psychische Erkrankung mit vielen körperlichen Folgen. So wie bei dieser Patientin muss ein Mindestmaß an Bereitschaft da sein, sich helfen zu lassen. Andernfalls ist eine Behandlung nicht möglich. Die Betroffenen haben eine gestörte Körperwahrnehmung und finden sich selbst dann zu dick, wenn sie bereits stark untergewichtig sind. Aus Angst vor einer Gewichtszunahme essen sie fast nichts mehr. Dies kann lebensbedrohliche Ausmaße annehmen.

Viele Patientinnen entwickeln dazu auch noch einen exzessiven Drang, sich zu bewegen. Sie joggen oft über viele Stunden am Tag oder machen beispielsweise täglich 1000 Sit-ups. Mögliche körperliche Folgen einer Magersucht sind das Ausbleiben der Monatsblutung, Haarausfall, die Verminderung der Knochendichte und Verschlechterung der Blutwerte.

Unsere Klinik ist die größte Klinik in Deutschland zur Behandlung von Essstörungen. Wir helfen den Betroffenen mit einer zweigleisigen, speziellen Behandlung ein möglichst normales Essverhalten zu erlangen. Dazu gehört eine intensive und auf die Patienten abgestimmte Psychotherapie, begleitet von vielfältigen einzel- und gruppentherapeutischen Angeboten. Dazu zählen etwa Kunsttherapie, soziales Kompetenztraining, Körperwahrnehmungsübungen, gemeinsame Essenszubereitung und begleitete Mahlzeiten.

In der Psychotherapie werden die für die Magersucht auslösenden Faktoren und Probleme aufgearbeitet. In der Regel bleiben die Patientinnen und Patienten mit Magersucht durchschnittlich drei Monate in unserer Klinik. Minderjährige Patienten gehen während dieser Zeit auch in die Klinikschule.

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