15.02.2022 Arzt-Kolumne

Kleinkinder: Bildschirmnutzung, aber maßvoll!

von Melanie Ahaus
Dr. Melanie Ahaus ist niedergelassene Kinder- und Jugendärztin in Leipzig und Sprecherin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzt*innen in Sachsen.
Dr. Melanie Ahaus ist niedergelassene Kinder- und Jugendärztin in Leipzig und Sprecherin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzt*innen in Sachsen. Fotoquelle: privat

Bei den Vorsorgeuntersuchungen klagen Eltern oft darüber, dass sich ihre Kinder sehr schlecht selbst beschäftigen können, so wie kürzlich die Mutter eines Vierjährigen. "Mein Sohn verliert immer gleich die Lust an jedem Spielzeug, keine drei Minuten bleibt er mal an einer Sache. Das Einzige, was er gerne macht, ist auf meinem Handy herumtippen", berichtete mir die 24-Jährige. "Darf er das denn? Geben Sie ihm das Handy?" frage ich die Mutter. Sie seufzte: "Ja, weil er sonst schreit."Ich konnte sie gut verstehen. Allerdings können das Handy und andere Bildschirmmedien die Eltern-Kind-Beziehung erheblich stören.

In meinem Wartezimmer beobachte ich Tag für Tag, wie Eltern gebannt auf Bildschirme starren und keinen Blick mehr für ihr Kind haben. Oder wie Eltern das Spiel mit ihrem Kind unterbrechen, weil ein Signalton eine neue Nachricht auf ihrem Handy ankündigt. Für Kinder bedeutet es Stress pur, wenn ihre Eltern mit unbewegter Miene auf dem Handy herumwischen oder den Kontakt mit ihnen plötzlich unterbrechen. Viele Kinder reagieren dann wie mein vierjähriger Patient, sie heischen immer intensiver nach Aufmerksamkeit. Um sie ruhigzustellen, geben ihre Eltern ihnen dann das Handy zum Spielen – ein Teufelskreis.

"Versetzen sie sich einmal in die Lage Ihres Sohnes", bat ich die Mutter. "Er erlebt, wie fasziniert Sie von dem Gerät sind, dass Sie zwar körperlich da sind, aber Ihre Aufmerksamkeit ganz woanders ist. Das kann er nicht verstehen, es macht ihm Angst, und er versucht dann, auf sich aufmerksam zu machen. Und natürlich will er dann auch mit dem magischen Kästchen spielen, das seine Eltern so in den Bann zieht." Ich sprach noch lange mit der Mutter. Wir vereinbarten, dass sie ab sofort beim gemeinsamen Essen, beim Spielen und beim Zubettbringen das Handy stumm schaltet und weglegt, sodass sie sich ohne Ablenkung auf die emotionalen Bedürfnisse des Vierjährigen konzentrieren kann.

Nach ein paar Monaten kamen das Kleinkind und seine Mutter erneut in meine Praxis. "Und wie klappt es mit der bildschirmfreien Zeit?", wollte ich von ihr wissen. "Am Anfang war es schwierig", berichtete die Mutter. "Jetzt merken wir aber, dass uns die ungestörte Zeit beiden guttut. Mein Sohn ist konzentrierter und ausgeglichener – und ehrlich gesagt, ich bin auch nicht mehr so gestresst."