29.01.2024 Experte im Interview

Krebsforschung: Neue Therapien machen Mut

Von Annette Schneider
Prof. Dr. Dirk Schadendorf ist Leiter der Klinik für Dermatologie der Universitätsmedizin Essen.
Prof. Dr. Dirk Schadendorf ist Leiter der Klinik für Dermatologie der Universitätsmedizin Essen. Fotoquelle: Universitätsmedizin Essen

Fast jeder zweite Mensch wird rein statistisch im Laufe seines Lebens an Krebs erkranken. Das ist die beunruhigende Realität. Doch neueste Forschungsfortschritte machen Mut, dass die heimtückische Erkrankung in Zukunft immer früher erkannt und immer besser behandelt werden kann.

Vor allem im Zuge der Entwicklung der neuartigen mRNA-Impfstoffe und ersten vielversprechenden Studienergebnissen könnte die personalisierte Anti-Krebs-Impfung bereits bis 2030 für bestimmte Krebsarten verfügbar sein. Bei dieser Form von Impfung handelt es sich um eine therapeutische Methode. Das heißt, sie schützt nicht präventiv vor Krebs wie etwa eine HPV-Impfung vor Gebärmutterhalskrebs. Vielmehr wird der Körper in die Lage versetzt bei einer Tumorerkrankung die Krebszellen selbst zu zerstören.

Und das funktioniert so: Basierend auf zuvor identifizierten Tumorantigenen des Patienten wird eine personalisierte Impfung hergestellt. Sie löst eine Immunantwort aus und stärkt die natürliche Krebsabwehr des Körpers bei bereits Erkrankten. Die Anti-Krebs-Impfung ist also ein auf den jeweiligen Tumor individuell abgestimmtes Hilfsmittel, um Krebstherapien zu unterstützen. Der Vorteil der Anti-Krebs-Impfung ist, dass sie die Therapie direkt zum Tumor transportiert und nicht wie bei einer Chemotherapie auch gesunde Zellen angreift.

Die dabei verwendeten mRNA-Impfstoffe unterstützen das körpereigene Immunsystem, um bösartige Tumorzellen effektiv zu bekämpfen. Es ist wichtig zu beachten, dass personalisierte Krebsimpfung noch in der Entwicklungsphase ist. Aktuelle klinische Studienergebnisse machen aber Hoffnung, dass schwer zu behandelnden Krebsarten in den kommenden Jahren wirksamer bekämpft werden können.

Zusammenfassend ein Überblick über die wichtigsten Fortschritte in der Krebsbekämpfung:

1. Maßgeschneiderte Immuntherapie

Neue Fortschritte in der Entwicklung von Immuntherapeutika zeigen vielversprechende Ergebnisse bei verschiedenen Krebsarten. Diese Ansätze nutzen das körpereigene Immunsystem, um Krebszellen gezielt anzugreifen, was zu verbesserten Überlebensraten und geringeren Nebenwirkungen führen kann.

2. Präzisionsmedizin

Durch Fortschritte in der Genomforschung und anderen molekularen Technologien ist es möglich, die Erfolgsaussichten einer Krebsbehandlungen durch personalisierte Behandlung erheblich zu steigern.

3. Bessere Diagnose und Prävention durch Liquid Biopsy

Diese nicht-invasive Methode kann durch Blutproben frühzeitig Krebs erkennen und Veränderungen während einer Krebstherapie aufzeigen.

4. Kombinationstherapie

Um die Resistenz von Krebszellen gegen verschiedene Therapien zu verringern, gewinnt die Kombination verschiedener Therapien – gleichzeitig oder in Reihenfolge – an Bedeutung.

5. Früherkennung

Betroffene haben immer bessere Überlebenschancen dank moderner Bildgebungsverfahren und der Identifizierung spezifischer Biomarker bei der Früherkennung von Krebs.

Experten-Interview

Mit Prof. Dr. Dirk Schadendorf, Leiter der Klinik für Dermatologie der Universitätsmedizin Essen, haben wir über neue Therapieformen fortgeschrittener Hautkrebserkrankungen und den dramatischen Anstieg der Betroffenen gesprochen.

Herr Prof. Dr. Schadendorf, bitte skizzieren Sie als Leiter der Klinik für Dermatologie der Universitätsmedizin Essen unseren Lesern die dramatische Entwicklung von Hautkrebs in Deutschland.

Prof. Dr. Dirk Schadendorf: Hautkrebs gehört zu den häufigsten Krebsarten. Eine aktuelle Untersuchung der Kaufmännischen Krankenkasse zeigt etwa, dass für das Jahr 2022 allein bei dieser Krankenkasse die Zahl der Neu-Erkrankungen an schwarzem Hautkrebs um 31 Prozent und an weißem Hautkrebs sogar um 60 Prozent zugenommen hat. Laut dieser Statistik sind Frauen häufiger von hellem Hautkrebs betroffen als Männer.

Der schwarze Hautkrebs, das sogenannte maligne Melanom, kann überall auf der Haut entstehen. Er kann im schlimmsten Fall zum Tode führen, weil er Absiedelungen sogenannter Metastasen bildet, die auch in innere Organe streuen können. Der helle Hautkrebs hingegen ist leichter zu behandeln, weniger aggressiv und Betroffene sind nach der Behandlung in der Regel auch geheilt. Eine der Hauptursachen für das Auftreten von Hautkrebs ist eine erhöhte UV-Bestrahlung der Haut, unter anderem durch das Aufhalten in der direkten Sonne oder den Besuch von Solarien.

Das veränderte Freizeitverhalten der Menschen kann einen Einfluss die Häufigkeit von Hautkrebserkrankungen haben. In den 1960er Jahren zum Beispiel sind die Menschen viel weniger verreist als heutzutage – vor allem weniger in sonnige Länder. Das unter anderem kann das aktuell vermehrte Auftreten von Hautkrebs erklären, denn zwischen der übermäßigen Sonnenbestrahlung und dem Ausbruch des Hautkrebses können etwa 20 bis 30 Jahre vergehen.

Welche ersten Hautveränderungen sollten stutzig machen bei schwarzem und bei weißem Hautkrebs?

Prof. Dr. Dirk Schadendorf: Bei schwarzem Hautkrebs gilt generell die sogenannte „ABCDE“ (Asymmetrie, Begrenzung, Color (Farbe), Durchmesser, Erhabenheit) -Regel: Alle Veränderungen in Farbe, Form oder Größe sind grundsätzlich verdächtig, bedürfen Beobachtung und optimalerweise einer regelmäßigen hautärztlichen Einschätzung.

Der weiße oder helle Hautkrebs ist für Bürgerinnen und Bürger oftmals schwer zu erkennen. Er kann sich durch Rötungen, Schuppungen, kleiner, nicht heilen wollender Wunden oder Krusten ausdrücken. Genau feststellen kann das aber nur ein Mediziner und deswegen appellieren wir auch, regelmäßig an Hautkrebs-Screenings teilzunehmen. Weißer Hautkrebs ist vorwiegend in stark lichtexponierten Stellen des Körpers zu finden.

Welche modernen Therapien gibt es?

Prof. Dr. Dirk Schadendorf: Neue Therapieformen haben die Behandlung fortgeschrittener Hautkrebserkrankungen wesentlich verändert. Die Immuntherapie zur Behandlung von fortgeschrittenen Hautkrebserkrankungen ist heute der neue Standard. Hierbei wird das körpereigene System zur Bekämpfung von Erregern und geschädigten Zellen angeregt. Zentraler Punkt dieser Therapie sind sogenannte Checkpoints. Diese könnte man als Bremsen des Immunsystems bezeichnen, die sich auf den Abwehrzellen befinden und eine überschießende Immunreaktion verhindern. Krebszellen können diese eigentlich hilfreichen Bremsen für sich ausnutzen. In der Folge läuft die körpereigene Abwehr ins Leere. Moderne Medikamente, so genannte Checkpoint-Inhibitoren, können die krebsbedingte Blockade wieder auflösen und so das Immunsystem dazu anregen, Tumorzellen zu erkennen und zu vernichten. Dieser Ansatz hat die Chemotherapie als Behandlung von Hautkrebs verdrängt. Überlebenschancen und Lebensqualität von Betroffenen wurden über die letzten zehn Jahre erheblich verbessert und haben die Hautkrebs-Behandlung revolutioniert. Inzwischen hat die Immuntherapie auch als vorbeugende (adjuvante) Therapie nach Operation beim schwarzen Hautkrebs gezeigt, dass die Rückfallquote halbiert werden kann.

Ein weiterer Ansatz ist eine sogenannte neoadjuvante Therapieform für insgesamt drei verschiedene Hautumorarten: für schwarzen Hautkrebs, das Merkelzell- und das Plattenepithelkarzinom, eine besondere Form des weißen Hautkrebses. Bei der neoadjuvanten Immuntherapie wird der Tumor – anders als vorher – zunächst mit Medikamenten behandelt mit dem Ziel, ihn zu schrumpfen und so eine OP erst möglich zu machen. Erste Studien zeigen hier bereits gute Ergebnisse hinsichtlich der Überlebenschance und Verbesserung der Lebensqualität Betroffener. Eine Zulassungsstudie für den neoadjuvanten Ansatz der Immuntherapie wird im Laufe dieses Jahres erwartet. Meiner Einschätzung nach kann auch der neoadjuvante Ansatz die Hautkrebs-Therapie revolutionieren.

Welche Präventionstipps geben Sie neben einem regelmäßigen Haukrebsscreening?

Prof. Dr. Dirk Schadendorf: Zunächst sollten Menschen ihren eigenen Hauttyp dermatologisch bestimmen lassen. So kann ermittelt werden, wie sich die Haut bei UV-Strahlen verhält und daraus können die richtigen Schutzmaßnahmen abgeleitet werden.

Ebenso ist es wichtig, im Sommer den UV-Index pro Tag zu beobachten, der heute schon in vielen Wettermeldungen inkludiert ist. Denn je höher der Index, desto stärker die UV-Strahlung und damit eine höhere Gefahr für Haut und Augen. Der Wert darf nicht immer gleichgesetzt werden mit der direkten Sonnenstrahlung, denn auch an bewölkten Tagen kann der UV-Index hoch sein. Andere Faktoren wie Schnee und Wasser können die UV-Strahlen reflektieren und zusätzlich verstärken.

Ab einem Indexwert von 3 empfehlen wir, Sonnencreme zu nutzen. Ab einem Wert von 8 – in Europa im Schnitt der Höchstwert – wird das Risiko für Hautkrebs als hoch bis sehr hoch eingestuft und dementsprechend höher müssen dann die Schutzmaßnahmen sein.

Sonnencremes können bei richtiger Anwendung einen guten Schutz bieten. Damit sie ihre volle Wirkung aber entfalten können, müssen sie vor dem Rausgehen aufgetragen werden und auch die Menge ist entscheidend. Die meisten Menschen nutzen nur etwa ein Drittel der Menge, die es braucht, um den angegebenen Lichtschutzfaktor zu erreichen. Als Faustregel kann gelten: Möchte man seinen gesamten Körper vor Sonne schützen, muss man mit einer Menge von etwa drei Esslöffeln voll Sonnencreme rechnen. Die effektivste Maßnahme vor Sonne ist aber immer noch der textile Schutz. Ist die Haut vollständig durch Textil bedeckt, können die UV-Strahlen nicht an die Haut gelangen und keinen Schaden anrichten.

All diese Maßnahmen gelten auch für den Aufenthalt im Schatten, denn auch wenn man es hier weniger bemerkt als in der direkten Sonne, gelangen auch im Schatten UV-Strahlen an die Haut.

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