07.06.2022 Interview mit einer Kur-Expertin

Körper und Geist stärken

Von Anne Richter

Almut Boller, Geschäftsführerin des Hessischen Heilbäderverbandes, erklärt im Interview, wann eine Kur empfehlenswert ist und wie man sie bekommt.

Frau Boller, was bedeutet Kur heute?

Almut Boller: Generell kann man sagen, dass eine Kur in erster Linie der Prävention dient. Es geht darum, Körper und Geist zu ertüchtigen, die Abwehrkräfte zu stärken und sich vor schweren Erkrankungen zu schützen. Bei chronisch Kranken kann das Ziel auch sein, eine Verschlimmerung zu verhindern. Wichtig bei einer Kur ist, dass die Menschen aus ihrem Alltag herauskommen, mindestens drei Wochen lang an einem anderen Ort sind und dort die Zeit bekommen, alte und ungesunde Verhaltensweisen abzulegen und sich neue, positive Aktivitäten anzugewöhnen. Das kann eine Ernährungsumstellung sein oder das Ziel, sich jeden Tag eine halbe Stunde zu bewegen. Der strukturierte Tagesablauf während der Kur hilft ihnen – und sie können wieder zu sich selbst finden.

In welchen Situationen ist eine Kur empfehlenswert?

Es gibt es ein breites Angebot an Kuren für jede Altersgruppe. In der Corona-Zeit haben wir viele Erschöpfungserscheinungen gesehen, besonders bei Alleinerziehenden. Hier kann eine Mutter- beziehungsweise Vater-Kind-Kur helfen. Es tut allen gut, dem stressigen Alltag zu entkommen und neue Kräfte zu sammeln. Auch bei anderen Altersgruppen sind Stress oder psychische Belastung Gründe für eine Kur. Außerdem ist Ernährung ein großes Thema, wenn man etwa an Altersdiabetes denkt. Die natürlichen Heilmittel Luft, Wasser und Erde zielen auf unterschiedliche Erkrankungen. Heilklima mit wohltuender Luft ist etwa gut für Herzpatienten, Solewasser ist geeignet bei Hautproblemen, Moorbäder können bei Arthrose oder Rheuma helfen.

Wie bekommt man eine Kur?

Der erste Ansprechpartner ist der Hausarzt. Er stellt die medizinische Veranlassung fest und kann ein Rezept ausstellen. Die Kur wird dann bei der Krankenkasse beantragt und bewilligt. Der Patient darf übrigens den Kurort selbst auswählen, es gibt ein Wunschund Wahlrecht. Allerdings muss natürlich der gewünschte Ort zur Erkrankung passen, das heißt, die Ärzte und Therapien vor Ort müssen geeignet sein. Der stationäre Kuraufenthalt wird von der Krankenkasse übernommen, die Patienten müssen nur einen kleinen Anteil selbst bezahlen.

Die Alternative ist eine sogenannte ambulante Vorsorgeleistung. Das bedeutet, der Hausarzt stellt ein Rezept für eine Ambulante Vorsorgeleistung aus, die die Krankenkasse übernehmen muss. Der Patient sucht sich einen Kurort mit passendem medizinischen Hintergrund aus, kommt für Unterkunft und Verpflegung aber selbst auf. Gemeinsam mit dem Badearzt im Kurort entwickelt er einen Behandlungsplan für 21 Tage, um sich auf sich selbst zu konzentrieren und seine Energiedepots aufzuladen. Arbeitnehmer müssen für den Zeitraum Urlaub nehmen, eine Krankschreibung gibt es nicht. Allerdings kommen immer mehr Arbeitgeber den Betroffenen entgegen – schließlich tun sie ja etwas, um ihre Arbeitskraft zu erhalten. Für die Therapie vor Ort, zum Beispiel Physiotherapie, ist eine Zuzahlung von zehn Prozent erforderlich. Auf diese Weise kann man sich mit individuellen Freiheiten etwas Gutes tun und vor allem seine Abwehrkräfte stärken.

Was kann man tun, wenn die Krankenkasse den Kurantrag ablehnt?

Unbedingt Widerspruch einlegen – und zwar möglichst schnell. Die Frist beträgt nur vier Wochen. Oft helfen weitere Gespräche mit dem Hausarzt, um sich dessen Unterstützung und Expertise einzuholen.

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