15.03.2022 Arzt-Kolumne

Muss es immer ein Antibiotikum sein?

Von Heinz-Wilhelm Esser
Dr. med. Heinz-Wilhelm Esser ist Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie am Sana-Klinikum Remscheid und bekannt als "Doc Esser" in TV und Hörfunk sowie als Buchautor.
Dr. med. Heinz-Wilhelm Esser ist Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie am Sana-Klinikum Remscheid und bekannt als "Doc Esser" in TV und Hörfunk sowie als Buchautor. Fotoquelle: WDR/Herby Sachs

Wegen eines grippalen Infekts stellte sich vor wenigen Tagen ein 38-jähriger Unternehmer in meiner Sprechstunde vor. "Ich kann es mir nicht leisten, drei Tage lang krank im Bett zu liegen. Ich werde in der Firma gebraucht. Bitte verschreiben Sie mir ein Antibiotikum", forderte er mich mit flehendem Blick auf. Doch diesen Wunsch konnte ich ihm nicht erfüllen.

"Antibiotika sind keine Medikamente, die ich bei einem harmlosen grippalen Infekt verschreibe", erklärte ich meinem Patienten und fügte hinzu: "Ich kann Ihren Wunsch nachvollziehen, so schnell wie möglich wieder gesund zu werden. Aber, um es mal ganz klar zu sagen: Antibiotika gehören zu einer Medikamentengruppe, die eine klare Indikation braucht, um verschrieben zu werden."

Antibiotika werden nur eingesetzt, wenn es sich um einen Infekt handelt, der durch Bakterien ausgelöst wurde. Dazu gehört beispielsweise die durch Pneumokokken verursachte Lungenentzündung. Hier muss der Arzt mit einer antibiotischen Therapie den betroffenen Patienten behandeln. Aber diese Medikamente wirken nicht nur gegen die gefährlichen Bakterien, sondern auch gegen köpereigene nützliche Bakterien und haben somit auch viele, unschöne Nebenwirkungen. Bei zu häufiger und falscher Anwendung kommt es im schlimmsten Fall zu einer Antibiotikaresistenz. Das Medikament verliert an Heilkraft. Deswegen gilt der Spruch: so oft wie notwendig und so selten wie möglich.

Bei den meisten grippalen Infekten handelt es sich um Viren, die lästige Symptome verursachen. Und gegen Viren sind Antibiotika machtlos und absolut falsch eingesetzt. Bei einem gewöhnlichen viralen Infekt hilft Bettruhe am besten. Wenn noch Symptome wie Kopf- und Gliederschmerzen dazukommen oder ein lästiger Husten, darf man auch mal zu entsprechenden frei verkäuflichen Grippemitteln greifen. Hier rate ich aber nicht zu Kombi-Präparaten, sondern zu einem gezielten Kauf je nach führendem Symptom. Denken Sie daran: Rezeptfrei bedeutet nicht nebenwirkungsfrei!

"Probieren Sie es alternativ mit Salzwasserinhalationen – neun Gramm Salz auf einen Liter Wasser – und mit Kräutertees. Trinken Sie ausreichend. Und bitte gönnen Sie sich Ruhe. Der Köper wird es Ihnen danken. Keiner ist im Beruf unersetzbar", riet ich meinem Patienten. Allgemein gilt: Sollte es nach drei bis fünf Tagen zu keiner Besserung gekommen sein, und Sie fühlen sich vielleicht sogar schlechter, haben hohes Fieber oder Atemnot, dann ist der Gang zum Arzt zwingend notwendig. Nach einer Blutuntersuchung kann dann entschieden werden, ob eine antibiotische Therapie notwendig ist

Das könnte Sie auch interessieren