16.05.2017 Telefonaktion

Antworten zum Pflegestärkungsgesetz

Von Sandra Lücke
Neuregelung für die Pflege: Das Gesetz soll die Situation für Pflegebedürftige und Angehörige verbessern.
Neuregelung für die Pflege: Das Gesetz soll die Situation für Pflegebedürftige und Angehörige verbessern. Fotoquelle: Fred Froese/Getty

Bei unserer großen prisma-Telefonaktion ging es dieses Mal um das Pflegestärkungsgesetz. Und das wollten die Leser von unseren Experten wissen.

Seit Anfang des Jahres ist das Pflegestärkungsgesetz in Kraft getreten. Der Pflegeaufwand soll dadurch besser eingeschätzt werden können. Er orientiert sich nun am Grad der Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen. Bei der prisma-Telefonaktion konnten Leser vier Experten aus dem Gesundheitsbereich ihre Fragen rund um das Thema stellen. Hier die zentralen Fragen und Antworten im Überblick:

Leserfrage: Ich bin 82 Jahre alt und gehbehindert, werde von meiner Tochter versorgt, die meine Wäsche macht und mir Essen kocht. Habe ich einen Anspruch auf die Leistungen der Pflegeversicherung?

Christoph Treiß, Geschäftsführer Landesverband freie ambulante Krankenpflege NRW e. V. (LfK): Ob Sie einen Anspruch auf einen Pflegegrad haben, können Sie prüfen lassen. Stellen Sie bei Ihrer Pflegeversicherung – das ist in den allermeisten Fällen Ihre Krankenkasse – einen Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Das kann formlos erfolgen, beispielsweise so: "Hiermit beantrage ich Leistungen der Pflegeversicherung. Bitte veranlassen Sie alles Weitere." Die Kasse schickt dann einen Gutachter des Medizinischen Dienstes (MDK) vorbei, der sich ein Bild von Ihrer persönlichen Pflegesituation macht. Auf dieser Grundlage entscheidet dann die Pflegekasse – liegen die Leistungsvoraussetzungen vor – rückwirkend zum Datum der Antragstellung.

Leserfrage: Ich habe gelesen, dass es ein neues Begutachtungsverfahren für Pflegebedürftige gibt. Was hat sich denn geändert?

Dr. Peter Pick, Geschäftsführer Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen: Früher mussten wir feststellen, wie viele Minuten Hilfebedarf ein Mensch beim Waschen, Anziehen oder Essen hat. Diese Minutenzählerei gibt es nicht mehr. Heute schauen wir uns an, wie selbstständig ein Mensch im Alltag ist. Dabei achten wir nicht nur auf körperliche Fähigkeiten – so wie früher –, sondern schauen uns auch an, ob jemand psychisch oder geistig in der Lage ist, im Alltag alleine zurechtzukommen. Das können vor allem Menschen mit Demenz meistens nicht mehr, auch wenn sie körperlich noch relativ fit sind. Deshalb haben Demenzkranke Vorteile vom neuen Verfahren.

Leserfrage: Ich plane einen Umbau, um meinen Wohnraum barrierefrei zu machen. Welche Zuschüsse kann ich beantragen?

Corinna Vattersen, Lifta GmbH, Expertin für Zuschüsse, Förderprogramme und barrierefreies Wohnen: Barrierefreie Umbauten werden schon vom ersten Pflegegrad an unterstützt und mit bis zu 4000 Euro pro Person gefördert. Von der KfW-Bank erhalten Eigentümer von Ein- oder Zweifamilienhäusern und Mieter bis zu 5000 Euro für barrierefreie Umbaumaßnahmen.

Leserfrage: Ist die Ausbildungsumlage in den Pflegekosten enthalten?

Michaela Birkner, Referentin, Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen: Ja, die Ausbildungskosten sind Teil der Pflegekosten. Sie werden aber gesondert auf der Abrechnung ausgewiesen. Je nach Bundesland gibt es eine unterschiedliche Berechnung.

Leserfrage: Wie und wo erhalte ich einen Pflegegrad?

Corinna Vattersen: Einen Pflegegrad beantragen Sie bei Ihrer Krankenkasse und zwar ganz formlos. Anruf, E-Mail oder Brief reichen aus. Die Krankenkasse schickt Ihnen ein Formular, das Sie dann ausfüllen und zurücksenden. Bei einem Termin bei Ihnen zuhause wird dann ihre Selbstständigkeit im Alltag von einem Gutachter festgestellt. Nach diesem Gespräch entscheidet die Pflegekasse anhand des Gutachtens über den Pflegegrad.

Leserfrage: Meine 88-jährige Schwiegermutter hat bereits dreimal eine Höherstufung von Pflegegrad 2 (früher Pflegestufe I) auf Pflegegrad 3 beantragt, aber trotz Parkinson-Diagnose und Schwächeanfall bei der Begutachtung bewilligt die Pflegekasse ihren Antrag nicht. Was können wir tun, um dagegen vorzugehen?

Christoph Treiß: Sie sollten den Bescheid der Pflegekasse nicht anfechten, sondern am besten direkt einen neuen Antrag stellen – möglicherweise mit der Begründung, dass sich der Zustand Ihrer Schwiegermutter seit der letzten Begutachtung verschlechtert hat. Natürlich wird es einige Zeit dauern, bis die Kasse eine erneute Begutachtung vornimmt. Doch als Alternative bliebe lediglich, den bestehenden Bescheid vor dem Sozialgericht anzufechten. Das kostet erfahrungsgemäß noch mehr Zeit und vor allem viele Nerven.

Leserfrage: Mein schwerstpflegebedürftiger Vater hat Pflegegrad 5. Zum Jahreswechsel habe ich einen Leistungsvergleich erhalten, auf dem aufgeführt ist, was sich 2017 ändert. Mein Vater bezieht Pflegegeld, außerdem kommt der Pflegedienst täglich vorbei. Auf der Übersicht steht nun, dass beim Pflegegeld in Kombination mit § 45 SGB XI ein Mehrbetrag von 798 Euro genutzt werden kann. Wo kommt dieser her?

Christoph Treiß: Seit dem 1. Januar 2017 ist es möglich, nach § 45a Absatz 4 SGB XI 40 Prozent des Sachleistungsanspruchs – also des Anspruchs auf Leistungen des Pflegedienstes wie körperbezogene Pflegemaßnahmen, pflegerische Betreuung oder Hilfen bei der Haushaltsführung – für sogenannte "Angebote zur Unterstützung im Alltag" umzuwandeln. Das sind Angebote, die keine körperbezogenen Pflegemaßnahmen betreffen, sondern auf die Betreuung von Pflegebedürftigen und die Entlastung von Angehörigen ausgerichtet sind, beispielsweise durch bestimmte Hilfen im Haushalt. Zusätzlich zu dieser Umwandlungsmöglichkeit steht allen Pflegebedürftigen mit Pflegegrad pro Monat ein sogenannter "Entlastungsbetrag" in Höhe von 125 Euro zur Verfügung, mit dem weitere Leistungen eingekauft werden können.

Leserfrage: Bleibt der Bestandsschutz bei einer Höherstufung bestehen?

Michaela Birkner: Ja, der Bestandsschutz erlischt erst bei Neuverhandlung der Pflegesätze.

Leserfrage: Ist eine Taxifahrt zum Arzt eine Regelleistung?

Michaela Birkner: Nein, sie kann aber als Zusatzleistung angeboten werden.

Leserfrage: Ich habe seit 2013 die Pflegestufe 1 und bin dann im Januar 2017 in den Pflegegrad 2 gekommen. Jetzt war der MDK nochmal bei mir. Ist es eigentlich auch möglich, dass ich nicht mehr Pflegegrad 2 bekomme, sondern in Pflegegrad 1 runtergestuft werde?

Dr. Peter Pick: Wenn der MDK einen niedrigeren Pflegegrad feststellt, hilft Ihnen die sogenannte "Besitzstandsregelung". Dieser etwas sperrige Begriff meint, dass Ihnen die bisherigen Leistungen auch dann zustehen, wenn Ihr Pflegebedarf gesunken ist. Eine Rückstufung in einen niedrigeren Pflegegrad ist nicht möglich. Wenn Sie also bisher Pflegegrad 2 hatten und der MDK jetzt Pflegegrad 1 empfiehlt, bekommen Sie weiterhin die Leistungen für Pflegegrad 2. Eine Ausnahme gibt es nur in ganz seltenen Fällen, nämlich dann, wenn der MDK feststellen sollte, dass jemand gar nicht mehr pflegebedürftig ist.

Leserfrage: Bei meinem Mann wurde im September 2016 Pflegestufe 1 für ein Jahr bewilligt. Im September soll eine neue Begutachtung stattfinden. Wie kann ich mich darauf vorbereiten? Soll ich mir zum Beispiel einen Bericht vom Hausarzt geben lassen?

Dr. Peter Pick: Ein Bericht Ihres Hausarztes ist auf jeden Fall sinnvoll, denn so kann der Gutachter sich schnell und umfassend über den Gesundheitszustand Ihres Mannes informieren. Auch Berichte von Fachärzten oder Krankenhausaufenthalten sind wertvoll für die Gutachter. Hilfreich ist es auch, wenn Sie in den Wochen vor der Begutachtung aufschreiben, welche Probleme Sie beobachten bzw. in welchen Situationen Ihr Mann Unterstützung braucht. So wird nichts vergessen, denn manche Probleme äußern sich nur hin und wieder und nicht unbedingt während der Begutachtung.

Leserfrage: Der MDK war bei mir zur Begutachtung. Jetzt hat mir meine Kasse den Bescheid geschickt, dass ich nicht pflegebedürftig bin. Ich glaube, der MDK hat das falsch eingeschätzt. Was kann ich tun?

Dr. Peter Pick: Sie haben die Möglichkeit, innerhalb eines Monats Widerspruch einzulegen. Da der Bescheid von der Pflegekasse kommt, muss auch der Widerspruch an die Pflegekasse gehen. Die Kasse beauftragt dann den MDK, Sie noch einmal zu begutachten. Sind Sie auch mit dem Ergebnis des Widerspruchsverfahrens nicht einverstanden, können Sie beim Sozialgericht dagegen klagen. Das geht auch ohne Anwalt, allerdings würde ich empfehlen, einen Anwalt hinzuzuziehen. Denn der kann Sie vor Gericht gut vertreten und einschätzen, welche Erfolgsaussichten Ihre Klage hat.

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