28.09.2021 Infos und Tipps

Plötzlich Pflegefall – und jetzt?

Von Annette Bulut
Das Thema Pflege ist komplex, ohne professionelle Hilfe geht es nicht.
Das Thema Pflege ist komplex, ohne professionelle Hilfe geht es nicht. Fotoquelle: Imago Images / PantherMedia / Arne Trautmann

Krankheit, Unfall oder Alter können einen Menschen dauerhaft zum Pflegefall machen. Das kommt oft sehr unerwartet und plötzlich. Die Angehörigen müssen dann viele wichtige Frage klären. Und möglichst schnelle Hilfe bekommen. Hier die wichtigsten Infos.

Pflegebedürftige müssen zuerst einen Antrag auf Leistungen der Pflegekasse stellen. Ein Anspruch darauf setzt voraus, dass die versicherte und pflegebedürftige Person in den vergangenen zehn Jahren vor der Antragstellung mindestens zwei Jahre als Mitglied in der Pflegeversicherung versichert war oder familienversichert gewesen ist. Wenn der Betroffene den Antrag selbst nicht mehr stellen kann, müssen die Angehörigen über eine Vorsorgevollmacht verfügen.

Pflegegrad: wie die Einstufung funktioniert

Die Feststellung des Pflegegrads hängt davon ab, wie stark die Selbstständigkeit oder die Fähigkeiten des Betroffenen beeinträchtigt sind. "Das ist für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und die Einstufung in einen der fünf Pflegegrade entscheidend", erklärt Heike Morris, juristische Leiterin der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD), Berlin. Außerdem gibt es eine wichtige Voraussetzung für die Leistungen der Pflegeversicherung: Die festgestellten Beeinträchtigungen bestehen auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und der Betroffene ist nicht in der Lage, sie selbstständig auszugleichen. Wenn dies der Fall ist und die Beeinträchtigungen schwerwiegend genug sind, empfiehlt ein Gutachter des Medizinischen Dienstes die Einstufung in einen Pflegegrad. Entsprechend entscheidet die Pflegekasse anschließend über die Einstufung. "Spätestens 25 Arbeitstage nach Eingang des Antrags muss die Pflegekasse das Ergebnis der Begutachtung schriftlich mitteilen. Falls man mit der Entscheidung nicht einverstanden ist, kann man Widerspruch einlegen", sagt Morris.

Nach der Antragstellung meldet sich der Medizinischen Dienst. Dieser macht einen Termin mit dem Antragsteller für eine Begutachtung zu Hause. Tipp: Ein Pflegetagebuch hilft bei diesem Termin besser darstellen zu können, in welchem Umfang der pflegebedürftige Mensch Unterstützung benötigt. Der Besuch beim Versicherten kann aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie übrigens entfallen. Dann bilden in der Regel eine telefonische Befragung sowie bis dahin vorliegende Unterlagen die Grundlage der Begutachtung.

Diese Lebensbereiche werden vom Medizinischen Dienst überprüft:

  • die körperliche Beweglichkeit (Mobilität)
  • kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  • Selbstversorgung (Essen, Waschen, Anziehen etc.)
  • der selbstständige Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen 
  • die Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte

Vorher Beratung einholen

Vor der Antragstellung ist es ratsam, sich professionell beraten zu lassen. Denn es gilt, etliche Anträge korrekt auszufüllen, um das Geld aus der Pflegeversicherung zu erhalten. Fachleute aus der Pflege, aus Beratungsstellen oder der Hausarzt können Tipps und Unterstützung geben. In den Kliniken gibt es die Sozialdienste, die beratend zur Seite stehen. Weitere Anlaufstellen sind Pflegestützpunkte, Seniorenbüros oder Beratungsstellen bei den Wohlfahrtsverbänden. Unter www.verbraucherzentrale.de oder Tel. 0800 4040044 gibt es kostenlose Tipps und Infos.

Pflegezeit für pflegende Angehörige

Berufstätige, die sich um einen pflegebedürftigen Angehörigen kümmern, können eine sechsmonatige Auszeit vom Beruf in Anspruch nehmen – die sogenannte Pflegezeit. Für diesen Zeitraum übernimmt die Pflegeversicherung die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung. Pflegende Angehörige haben außerdem einen Anspruch auf eine kostenlose Pflegeberatung. Auch im Alter werden pflegende Angehörige inzwischen besser abgesichert. Die Rentenbeiträge steigen mit zunehmender Pflegebedürftigkeit. Ein Beispiel: Wer einen Angehörigen mit Pflegegrad 5 pflegt, erhält um 25 Prozent höhere Rentenbeiträge als früher.

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