26.04.2016 Wissenschaft

Der Körper vergisst nicht

Die Haut merkt sich alles: Sonnenanbeter, die sich zu oft starker UV-Strahlung aussetzen, riskieren Langzeitschäden. Die Haut speichert die Sonnenbäder ab, Folgen können erst Jahre später sichtbar werden.
Die Haut merkt sich alles: Sonnenanbeter, die sich zu oft starker UV-Strahlung aussetzen, riskieren Langzeitschäden. Die Haut speichert die Sonnenbäder ab, Folgen können erst Jahre später sichtbar werden. Fotoquelle: Jonny Storey LTD/Getty Images

Wenn zu viel zu stark auf den Organismus einprasselt, zieht der Körper Konsequenzen. Seine Zellen verändern sich.

"Die Haut vergisst nichts." Nahezu jeder dürfte diesen Satz schon einmal gehört haben. Gemeint ist: Wer sich oft einer Belastung wie starker UV-Strahlung aussetzt, riskiert Langzeitschäden am größten Sinnesorgan, auch wenn zunächst nichts davon zu erkennen ist. Solch ein Erinnerungsvermögen besitzt nicht nur die Haut, sondern jede Zelle, etwa Blut-, Muskel- oder Nervenzelle. Sie alle speichern und verarbeiten Informationen.

"Wir leben mit einem epigenetischen Gedächtnis", erklärt Professor Dr. Jörn Walter von der Universität des Saarlandes, einem Zentrum der Epigenetik-Forschung. "Beeinflussen Faktoren den Körper lange genug, etwa Fremdstoffe, einseitige Ernährung oder Infektionen, bildet sich in den betroffenen Zellen ein neues epigenetisches Gedächtnis aus."

Das Ergebnis: Krebs

Mit Kollegen aus aller Welt untersucht Walter die Zusammenhänge. "Stress, Trauma, Ernährung, Altern, Wohlbefinden, Drogenkonsum: All das verändert das epigenetische Gedächtnis mit noch weitgehend unbekannten Folgen für die Körperfunktionen." Im Beispiel Haut kann schädliche Einwirkung genetische und epigenetische Fehler im ursprünglichen Arbeitsprogramm der Zelle auslösen. Das Ergebnis: Krebs.

Wie lange ein negativer Einfluss braucht, bis solche Zellschäden entstehen, sei nicht bekannt, sagt Walter. Auch Ernährung verändere Gedächtnisprogramme. Ein Beispiel sei die stete Zunahme von Diabetes Typ 2 in Verbindung unter anderem mit Fettleibigkeit.

Verlören Zellen des Immunsystems ihr Gedächtnis, könnten beispielsweise Allergien entstehen. "Bei allen chronischen Erkrankungen verändert sich das Gedächtnis der Zellen", sagt Walter. "Auf Basis unserer Forschung suchen wir Wege, falsche Gedächtnisse wieder zu löschen."

"Wir sind genetisch bedingt ungleich beeinflussbar"

Mit "falsch" bezieht sich der Wissenschaftler auf krankhafte Auswirkungen wie die genannten. Zur Vermeidung solcher Veränderungen sollte eine gesunde, ausbalancierte Lebensweise ohne starke beziehungsweise dauerhafte Extreme gepflegt werden – ein Garant ist das laut Walter jedoch nicht: "Wir sind genetisch bedingt ungleich beeinflussbar und reagieren unterschiedlich." Der Körper kann demnach etwa eine einseitige Ernährung kompensieren. Wie, ist ganz verschieden.