20.06.2022 Arzt-Kolumne

Wann sind Paukenröhrchen nötig?

Von Stefan Appenrodt
Dr. Stefan Appenrodt ist Facharzt für Nasen-Hals-Ohrenheilkunde und Allergologie in München.
Dr. Stefan Appenrodt ist Facharzt für Nasen-Hals-Ohrenheilkunde und Allergologie in München. Fotoquelle: Dr. Appenroth

Ein fünfjähriges Kind kam mit seinen Eltern kürzlich in meine Sprechstunde. "Unsere Tochter redet immer sehr laut und reagiert häufig nicht auf unsere Ansprache. Auch fällt uns ihre zögerliche Sprachentwicklung auf. Sie spricht Wörter häufig nicht korrekt aus. Bemerkt haben wir das, nachdem sie mehrere Infekte hatte", erklärte mir die Mutter der Fünfjährigen.

Nach einer eingehendenden Untersuchung stand die Diagnose fest: Ein schleimiges Sekret hatte sich hinter dem Trommelfell gebildet. Das Mittelohr war komplett damit ausgefüllt. Die anatomischen Besonderheiten des Kinderohrs mit seiner engen Ohrtrompete machen es anfällig für Mittelohrentzündungen oder Paukenergüsse. "Das ist auch der Grund, warum Ihre Tochter wie unter Wasser hört", erklärte ich. Deshalb war das Mädchen in seiner Sprachentwicklung verzögert und konnte Wörter nicht korrekt aussprechen.

Bei dieser Diagnose wird ein Paukenröhrchen zur Drainage ins Trommelfell eingesetzt. Zunächst wird ein kleiner, nur ein Millimeter kurzer Schnitt in das Trommelfell gesetzt, um den Schleim absaugen zu können. Anschließend legt man ein winziges Paukenröhrchen aus Kunststoff oder Metall, um für eine dauerhaft ausreichende Belüftung des Ohrs zu sorgen. Diese Operation wird in einer leichten Vollnarkose von rund 15 Minuten durchgeführt. Der Eingriff findet ambulant statt, in der Regel kann das Kind zwei bis drei Stunden später nach Hause gehen. Der Eingriff ist nicht schmerzhaft. Die Patienten können direkt nach der OP wieder deutlich besser hören. Der Eingriff gehört zu den häufigsten Operationen im Kindesalter und wird häufig mit der Entfernung der Rachenmandel, auch als (Kinder-)Polypen bekannt, kombiniert.

Das Röhrchen stößt sich nach einer Weile von selbst ab. Der Heilungsprozess dauert vier bis sechs Monate. Einziger Nachteil: Kinder mit Paukenröhrchen sollten nicht ohne einen Schutz vor Wasser im Ohr schwimmen gehen. Noch ein Tipp: Wenn Kinder häufiger an Mittelohrentzündungen erkrankt sind, kann das Trommelfell leiden. Eltern, die ein Kind mit einer verzögerten Sprachentwicklung haben, sollten bei einem HNO-Arzt abklären lassen, ob die Hörfunktion aufgrund einer zähen Flüssigkeit hinterm Trommelfell beeinträchtig ist.

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