02.12.2022 Arzt-Kolumne

Keine Angst vor der Narkose

Von Lutz Lindner
Dr. med. Lutz Lindner, DEAA, ist Facharzt für Anästhesie an der Cambomed Klinik, Kempten.
Dr. med. Lutz Lindner, DEAA, ist Facharzt für Anästhesie an der Cambomed Klinik, Kempten. Fotoquelle: Cambomed

"Ich habe große Angst, aus der Narkose nicht mehr aufzuwachen, weil ich schon so alt bin", vertraute sich mir vor einigen Tagen ein 80-jähriger Rentner bei einem Vorgespräch für seine bevorstehende Operation an. Sätze wie diesen höre ich in meiner Praxis als Anästhesist fast täglich. Auch, wenn die individuellen Sorgen gerade der älteren Patienten verständlich sind, aus medizinischer Sicht kann ich in den allermeisten Fällen deutlich Entwarnung geben.

Die Anästhesie hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Zum einen sind sehr gut verträgliche und kreislaufschonende Medikamente entwickelt worden. Diese Medikamente können auch bei eingeschränkter Funktion von Leber und Niere, wie es im Alter häufig der Fall ist, vom Körper abgebaut werden. Die individuell benötigte Arzneimitteldosierung wird durch spezielle Überwachungsmethoden sichergestellt. Wir setzen dafür zum Beispiel die Hirnstrommessung (EEG) ein, welche uns die Schlaftiefe des Patienten anzeigt. "Hierdurch können wir unsere Patienten vor der sehr häufig geäußerten Sorge schützen, während der Operation plötzlich aufzuwachen", erklärte ich dem betagten Patienten. Zum anderen haben Teilnarkosen erheblich zugenommen. Durch den Einsatz von Ultraschall können heute spezielle Nervenstrukturen vor allem an Armen und Beinen gezielt dargestellt und dann sehr zuverlässig betäubt werden. Wer von allem nichts mitbekommen möchte, erhält von uns ein niedrig dosiertes Schlafmittel. Eine Beatmung ist nicht notwendig. Da die Wirkung dieser Verfahren über Stunden anhält, kommt es zu deutlich weniger Wundschmerzen, was den Bedarf an Schmerzmitteln mit all ihren Nebenwirkungen zusätzlich senkt.

Da diese Teilnarkosen sehr wenig auf den Gesamtorganismus, also auf Herz, Lunge, Leber und Niere wirken, profitieren gerade ältere Patienten mit labilem Kreislaufsystem wiederum ganz besonders. Dies zeigt sich auch daran, dass wir den Großteil dieser Patienten ambulant versorgen können. Damit schließt sich der Kreis, denn wir können einen weiteren Patientenwunsch fast immer erfüllen: "Ich möchte nach der Operation unbedingt nach Hause und nicht im Krankenhaus bleiben müssen."

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