17.07.2018 Arzt-Kolumne

Unterschätztes Phänomen Schluckauf

Von Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Markus W. Hollmann
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Markus W. Hollmann ist Klinikdirektor für Anästhesiologie der Schmerzklinik am Universitätsklinikum Amsterdam, Niederlande.
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Markus W. Hollmann ist Klinikdirektor für Anästhesiologie der Schmerzklinik am Universitätsklinikum Amsterdam, Niederlande. Fotoquelle: privat

Jeder von uns hat einmal Schluckauf. Bei einem "Hickser", einem Reflex, dessen Natur nicht eindeutig geklärt ist, zieht sich das Zwerchfell abrupt zusammen und verursacht dadurch eine rasche Einatmung. Fast gleichzeitig dazu verschließt die Stimmritze den Atemweg – es entsteht das typische "Hicks"-Geräusch.

Da Embryos im Mutterleib häufig hicksen, Erwachsene aber nur noch selten, könnte der Schluckauf eine Art "Atemübung" für das Ungeborene sein, die es auf das eigenständige Luftholen vorbereitet. Ein Schluckauf tritt oft nach dem raschen Verzehr von großen Mahlzeiten, sehr heißen oder kalten Speisen oder kohlensäurehaltigen, nicht notwendigerweise alkoholischen Getränken auf und verschwindet in der Regel nach wenigen Minuten von selbst.

Selten kann der Schluckauf bestehen bleiben, mitunter Jahrzehnte und bis zu 30 Mal pro Minute. Dann wird er zum ernsthaften medizinischen Problem. Anhaltender Schluckauf, häufig bei Männern (90 %) und über 60-Jährigen, kann zu chronischen Erschöpfungszuständen, Schlaflosigkeit, gefährlicher Gewichtsabnahme und Depressionen führen.

Kein Patentrezept

Ursachen für chronischen Schluckauf sind vielfältig und reichen von Erkrankungen im Magen-Darm-Trakt über Fehlbildungen im Nervensystem bis hin zu Herzinfarkt, Krebserkrankungen, Diabetes, Grippe oder Magersucht. Auch Medikamente wie Chemotherapeutika, Antibiotika und Kortisonpräparate können Schluckauf begünstigen. Erschrecken oder Luftanhalten helfen bei anhaltendem Schluckauf meist nicht weiter, allerdings können Atem- und Entspannungsübungen sowie langsames Essen und Trinken kleiner Mengen (Heißes, Kaltes und scharf Gewürztes vermeiden!) schon abmildernd wirken. Hält das "Hicksen" länger als 24 Stunden an, sollte ein Arzt aufgesucht werden.

Unser Forschungsteam um PD Dr. med. Jens Keßler und Eva Kohse am Heidelberger Universitätsklinikum berät und behandelt Patienten mit anhaltendem Schluckauf. Zunächst sollte das Grundleiden behandelt oder sollten Medikamente als Auslöser für den Schluckauf abgeklärt werden. Findet sich keine Ursache, kann Akupunktur helfen.

Muskelentspannende und auf das Nervensystem wirkende Medikamente sollten nur angewendet werden, wenn andere Optionen erfolglos sind. Zudem kann der Zwerchfellnerv mit einem lokalen Betäubungsmittel blockiert oder neurochirurgisch stimuliert werden. Mögliche schwere Atemstörungen als Folge müssen dabei im Risiko-Nutzen-Verhältnis streng abgewogen werden. Denn: Obwohl oft belächelt, kann Schluckauf, wenn er bleibt, lebensbedrohlich werden.

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