29.09.2015 prisma-Serie (3)

Ewig lockt der Jungbrunnen

Von Detlef Hartlap
Damals, als es noch Jungbrunnen gab: ... und sie wurden wieder schön, und voller Lust frönten sie der Liebe.
Damals, als es noch Jungbrunnen gab: ... und sie wurden wieder schön, und voller Lust frönten sie der Liebe. Fotoquelle: Wikipedia

Ein Unsterblichkeits-Instinkt treibt den Menschen. Die Hoffnung auf ein hohes Alter stirbt zuletzt.

Sich gut und vernünftig ernähren, aktiv leben, das Lachen und die Liebe nicht vergessen – das war die Quintessenz der ersten Folgen unserer Serie. Es ging um die Frage, wie es Menschen in den "Blauen Zonen" der Erde gelingt, steinalt zu werden. Zu diesen Zonen gehören Sardinien und Inseln in Japan.

Der Mensch trägt, wie das amerikanische Kulturmagazin Aeon jüngst ausführte, einen "Unsterblichkeits instinkt" in sich. Soll heißen: Solange es geht, verdrängt er den Tod, im Grunde möchte er immer weiter...

Da wäre es naiv zu glauben, er würde die Verlängerung seines Lebens vornehmlich Rohkost, Rotwein und Reflexmassagen überlassen. Der Mensch wäre nicht er selbst, wenn er auch nur ein technisches oder pharmazeutisches Mittelchen unversucht ließe.

Beispiele: Die Frischzellenkur steht nicht erst seit gestern als geflügeltes Wort für die Parole "Aus Alt mach Jung!". Sie ist der Nachfolger des mittelalterlichen Jungbrunnens, in dem man sich das Alter wegbaden wollte. In vielen Wellnessanwendungen feiert der Jungbrunnen heute fröhliche Urständ.

Die Frischzellenkur geht, schreibt die "Neue Zürcher Zeitung", auf den Schweizer Arzt Paul Niehans zurück, der 1931 einer an der Nebenschilddrüse verletzten Frau die vielfach zerkleinerte Nebenschilddrüse eines Kalbs spritzte. Die Frau erholte sich, die Zellulartherapie war geboren.

Was Paul Niehans aber nicht ahnte: Das Immunsystem nimmt sich der körperfremden Zellen an und vernichtet sie. Im Nu! Sein Heilungserfolg beruhte auf einem Placebo-Effekt.

Gleichwohl hat sich der Mythos Frischzelle erhalten. Mit fötalen Tierzellen, gefrorenen oder getrockneten Zellextrakten lässt sich gigantisch Reibach machen, und das ohne eine einzige verlässliche Studie über die Wirksamkeit der Behandlung.

Vitamine und Antioxidantien. Sie erinnern sich: Die Heilsbringer hießen Vitamin C, E oder auch Betacarotin (der Pflanzenfarbstoff). Die Lebensmittel, denen sie beigemischt wurden, sind Legion. Doch was als Schutz gegen Sauerstoffradikale und damit gegen Krebs postuliert wurde, erwies sich als zweifelhaft. Betacarotin senkt das Krebsrisiko nicht, sondern erhöht es.

Die ach so schlimmen Sauerstoffradikale wirken, anders als vermutet, als Weckruf für das körpereigene Immunsystem, sie tun also Gutes. Die Vorstellung, hochdosiertes Vitamin C bewahre vor Erkältungen, konnte nie bewiesen werden.

Gibt es denn gar nichts, das wirksam wäre und Leben verlängern könnte?

Wenigstens doch Telomerase! Dieses Enzym verhindert das Abschmelzen der Telomere. Die wiederum sind gleichsam Schutzkappen der zum Altern neigenden Zellen. Wegen dieser Wirkung galt Telomerase lange als molekularer Jungbrunnen. Doch dann stellte sich heraus: Das Enzym nützt vor allem auch Krebszellen.

Weniger essen. Ein Energiesparmodus für den Körper. Langzeitversuche an Rhesusaffen zeigen, dass die typischen Alterserscheinungen bei strikter Hungerkur später einsetzen und schwächer ausfallen. Doch ergibt sich dieser Effekt nur bei Tieren mit generell kurzer Lebensdauer. Dazu gehört der Mensch bekanntlich nicht.

Kryonik. Das ist ein "Krankentransport durch die Zeit", wie die Deutsche Gesellschaft für angewandte Biostase wirbt.

Funktioniert im Prinzip so: kurz vor dem Tod einfrieren, 100 Jahre später gesund aufwachen. Der Körper wird bei minus 196 Grad in flüssigem Stickstoff konserviert. So was übernimmt die Firma Alcor in Scottsdale, Arizona, für 200.000 Dollar. Sobald die medizinischen Fähigkeiten es erlauben, den Toten wiederzubeleben, wird er in ein neues Leben hinein aufgetaut. Ob das klappt? Der Beweis steht aus.

Wo bleibt der Computer? Der amerikanische Zukunfts-Romantiker Ray Kurzweil (67) träumt von einem Gedächtnis-Upload. Über Hirn-Computer-Schnittstellen soll Gedächtnisinhalt komplett kopiert und in einen Roboterkörper übertragen werden.

In dem sehr erfolgreichen Kinofilm "Lucy" von 2014 hat das (bei Scarlett Johansson) bereits funk tioniert. Der Schritt vom Kino ins Leben ist, wie man weiß, ein kleiner.

(wird fortgesetzt)

Lesen Sie hier Teil 1 unserer Serie "100 sind kein Alter": Wer 100 werden will, muss arbeiten

Lesen Sie hier Teil 2 unserer Serie "100 sind kein Alter": Nur keine Scheu vor der Liebe im Alter

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