Der Bandleader Pepe Lienhard verstand sich blind mit Udo Jürgens. Jetzt geht er allein auf Tournee.
Er hat mit Frank Sinatra gespielt und mit Sammy Davis jr., er hat die damals noch ganz junge Whitney Houston im Fernsehen vorgestellt, und neuerdings wird ihm eine Rolle zuteil, die man als Udo Jürgens’ Stellvertreter im Konzertsaal beschreiben könnte. Der Schweizer Bandleader Pepe Lienhard geht in diesem Herbst auf große Deutschland-Tournee. Und auf die eine oder andere Weise sind sie alle dabei: Sinatra, Davis Jr., Whitney und vor allem Udo Jürgens.
Worüber spricht man mit einem, der beizeiten populär wie ein Popstar war (lange her), der als Bandleader respektiert wird wie einst Hazy Osterwald (auch ein Schweizer, auch lange her), der mit dem großen Quincy Jones (Produzent u. a. von Michael Jacksons "Thriller") in tiefer Freundschaft verbunden ist?
Klappert man die Etappen ab, die irgendwann in den Sechzigerjahren eines anderen Jahrhunderts ihren Anfang ahmen? Nein, man unterhält sich über Hühner.
Nun kann der Begriff "Hühner" im Musikgeschäft durchaus zweideutig sein. Chicken (oder Hasen) laufen Musikern aller Schattierungen in reicher Zahl vor die Füße, das war auch bei Pepe Lienhard nicht anders. Besonders als er eine kurze, intensive Robin-Williams-Phase durchmachte. Mit dem Song Swiss Lady startete er als Favorit beim "Eurovision Song Contest", der damals noch "Grand Prix d’Eurovision" hieß. Bis kurz vor Schluss der Stimmenauszählung lag er in Führung, ehe er noch abgefangen wurde.
Dem Hit-Potenzial des Songs tat das keinen Abbruch. Lienhard musste ihn jahrelang spielen, er war sein Gefangener.
Im Hintergrund gackern die Hühner
Nun aber, an einem heißen Nachmittag in Frauenfeld (Kanton Thurgau) kann von musikerversessenen Hühnchen keine Rede sein.
Wir sitzen auf einer Holzbank im Schatten. Das Gebäude im Rücken, das mal ein Bauernhof war, ist fast 300 Jahre alt. Zur Linken zwitschern Piepmätze in der Voliere, zur Rechten gackern die Hühner. Da sich Pepe Lienhard, einer der bekanntesten Bandleader weltweit, privat in erster Linie als Ornithologe und Hühnerzüchter versteht, dreht sich das Gespräch um Araucana-Hühner (grünliche Eier), um Appenzeller Spitzhauben (langlebig und wetterhart) sowie Vorwerk- und Marans-Hühner.
"Wenn ich von einer Tournee mit dem ganzen Trubel zurückkomme", sagt Pepe Lienhard, "setz ich mich in den Hühnerstall und kratz den Schiet weg."
Ein Verhalten, das ihm übrigens in stärkerem Maße vorgegeben war als die Bühnenkarriere. Lienhards Vater als begeisterter Vogelkundler nahm den Knaben des Abends gern mit nach draußen, um nach Falken und Eulen Ausschau zu halten.
Den jungen Pepe hat das nicht wenig genervt, doch heute, da er selbst über eine bibliotheksreife Sammlung von wertvollen Vogelbänden aus aller Welt verfügt, ist er dem Vater wieder ganz nahe.
Ausgebüxt ist er damals, wie so viele andere, in Richtung Popmusik. Aber nicht lange. Dann geriet er, 15 Jahre alt, in ein Swingkonzert, "und der Groschen war gefallen".
Der kleine Gott des Swings
Lienhard wurde, erst in der Schweiz, dann in Deutschland und darüber hinaus, der kleine Gott des Swings, mal mit großer Band, mal mit einem Sextett.
Die Karriere des heute 70-Jährigen hätte sich vielleicht zu gegebener Zeit der Alterskurve zugeneigt, wäre ein Schweizer Impresario nicht auf die Idee gekommen, seine beiden besten Pferde im Stall, Udo Jürgens und Pepe Lienhard, zusammenzuführen.
Die beiden passten zusammen, sie verstanden sich blind. Die Partnerschaft hätte ewig währen können.
Heute, 21 Monate nach Jürgens' Tod, tüftelt Pepe Lienhard sein Konzertprogramm sorgfältig nach Swing-, Sinatra-, Quincy- und Udo-Bestandteilen aus. Am 1. Oktober 2016 hat er einen großen Auftritt bei Carmen Nebel, anschließend folgt die Deutschland-Tournee. Danach, so viel steht fest, verschwindet Pepe wieder im Hühnerstall.