Alice Dwyer im Interview

"Intime Szenen mit 1,50 Meter Abstand sind nun mal nicht möglich"

von Eric Leimann

Alice Dwyer, 32, gehört zu den gefragtesten Schauspielfachkräften im deutschen Film und Fernsehen. Ebenso wie ihr Mann, Sabin Tambrea ("Narziss und Goldmund"). Momentan befindet sich das Berliner Paar im Lockdown. Wie fühlt sich das an?

Im dritten Film der Krimireihe "Herr und Frau Bulle: Abfall" (Samstag, 16.05., 20.15 Uhr, ZDF) kann man Alice Dwyer und Johann von Bülow wieder als ermittelndes Ehepaar zwischen ironisch durchtränkten Logik-Liebesspielen und klassischem Krimi sehen. Eigentlich wäre Dwyer, 32-jährige Tochter einer Neuseeländerin und eines Deutschen, gerade mit dem Dreh des vierten Films der Reihe fertig geworden. Die Dreharbeiten wurden jedoch im Zuge des Corona-Lockdowns vor einigen Wochen unterbrochen. Nun vertreibt sich die sonst gut gebuchte Schauspielerin ("Der Amsterdam-Krimi") die Zeit daheim in Berlin mit ihrem Mann Sabin Tambrea. Der musste ebenfalls Dreharbeiten unterbrechen – jene zum Nachfolge-Dreiteiler des TV-Blockbusters "Ku'damm 59". Wie geht es gefragten Schauspielern, die plötzlich auf sich selbst zurückgeworfen sind? Und wie lassen sich – bis der Impfstoff da ist – noch vernünftig Filme drehen?

prisma: Frau Dwyer, wie trifft Sie die Corona-Krise ganz aktuell?

Alice Dwyer: So wie die meisten anderen Schauspieler auch, die Arbeit vor der Kamera fällt vorerst aus. Wir waren mitten in den Dreharbeiten zum vierten "Herr und Frau Bulle"-Film. Sie wurden auf unbestimmte Zeit unterbrochen. Davor hatten wir immerhin schon zwei Wochen gedreht.

prisma: Wie darf man sich das ein Filmset in der Corona-Zeit vorstellen?

Alice Dwyer: Wie es sein wird, wenn die Dreharbeiten wieder beginnen, kann ich nicht sagen. Die Zeit vor der Unterbrechung, bevor der Lockdown kam, war natürlich anders, weil alles neu war und keiner wusste, wie schlimm es werden würde. Ich fand jedoch damals schon, dass die Menschen am Set sehr vorsichtig und rücksichtsvoll miteinander umgegangen sind.

prisma: Muss man nicht unterscheiden, was vor und hinter und vor der Kamera passiert? Vor der Kamera muss letztlich gemacht werden, was im Drehbuch und der Regieanweisung vorgesehen ist. Da kann nicht immer auf Abstand bleiben ...

Alice Dwyer: Genau das macht Dreharbeiten während der Pandemie so schwierig. Vor der Pause drehten wir viele Außenszenen. Dabei konnte man noch eher Abstand halten als bei jenen Szenen, die noch kommen sollten. Da hätten welche im Haus der Eheleute und Ermittler angestanden, bei denen logischerweise die Abstandsregelung nur schwer umzusetzen gewesen wäre. Intime Szenen mit 1,50 Meter Abstand sind nun mal nicht möglich.

prisma: Ist das wirklich undenkbar oder müssen wir uns vielleicht an solche skurrilen Szenen im Film gewöhnen?

Alice Dwyer: Bei einem Paar, das sich gut versteht, wäre es nur schwer vermittelbar. Und man kann ja, wenn der Film vielleicht erst anderthalb Jahre später läuft, kein Schriftband durch die Szenen laufen lassen: 'Aufgrund von Corona wurde diese Szene mit Abstand gedreht'. Oder: 'Aufgrund der Abstandsregelung liegen die beiden zwei Meter voneinander entfernt im Ehebett.' Die Sicherheit der Schauspieler kann nicht gewährleistet werden, wenn man normal dreht. So ist das einfach im Augenblick.

prisma: Bekamen Sie beim Drehen vor dem Lockdown ein bisschen Angst vor Johann von Bülow, der ihren Ehemann spielt?

Alice Dwyer: Das nicht, "Herr und Frau Bulle" ist auch kein Format, bei dem wir uns ständig in den Armen liegen. Trotzdem ist es natürlich so, dass man sich beim Drehen nahekommt und die Gefahr, dass man selber unwissentlich Teammitglieder oder Kollegen ansteckt, ist auch gegeben. Spielpartner und Maskenbildner sind jene Menschen, von denen man beim Dreh kaum Abstand halten kann. Es ist einfach nicht zu machen.

prisma: Wie leben Sie jetzt?

Alice Dwyer: Mein Mann, Sabin Tambrea, und ich sind beide Schauspieler. Auch seine Dreharbeiten für den neuen "Ku'damm"-Film wurden unterbrochen. Wir sind jetzt viel zu Hause – aber nerven uns noch nicht (lacht). Man weiß das ja vorher nicht. Es ist eine völlig neue Situation, mit diesem Zustand umzugehen, den es vorher so noch nie gab.

prisma: Sie sind ein Schauspiel-Ehepaar, das normalerweise viel zu tun hat und sich vielleicht gar nicht so oft sieht?

Alice Dwyer: Wir drehen beide regelmäßig, das ist ein großes Glück. Es herrscht gerade trotz der Ungewissheit eine große Ruhe im Leben. Kein hektisches Herumreisen, keine Terminflut, wenig Zeitdruck. Außer Spaziergängen im Park um die Ecke und dem Einkaufen verlassen wir kaum das Haus. Wir kennen es zwar, auch mal zwei Wochen gemeinsam freizuhaben – aber dann unternimmt man, in normalen Zeiten, doch sehr viel mehr. Heute waren wir im Baumarkt, weil ich das Bad neu streichen will. Das ist dann schon ein Highlight im neuen Alltag (lacht), weil es eine fast schon aufregende Abwechslung zum Gewohnten ist.

prisma: Auch Sie gehören also zu jenen Menschen, die Haus und Wohnung renovieren. Es ist also nicht so, dass Ihr Mann und Sie sich gegenseitig Szenen vorspielen oder gemeinsam Text lernen?

Alice Dwyer: Dass wir uns gegenseitig Dinge vorspielen, so langweilig ist uns noch nicht (lacht). Natürlich sprechen wir auch mal über die Arbeit. Schließlich macht man sich auch Gedanken und Sorgen um Produktionen, die demnächst kommen sollten. Wir leben allerdings nicht in einem gemeinsamen Schauspiel-Workshop. Aktuell hatte ich die Wahl zwischen dem Renovieren des Badezimmers und der Steuererklärung. Da habe ich mich erst mal fürs Bad entschieden.

prisma: Aber Sie schauen gemeinsam Filmen und Serien?

Alice Dwyer: Ja, das tun wir. Es ist nicht anders als bei anderen Leuten. Gerade haben wir die Miniserie "Unothodox" von Maria Schrader auf Netflix gesehen. Davon war ich sehr begeistert. Aber trotz Corona haben wir das, was Streaming-Dienste und Mediatheken an Gutem zu bieten haben, noch lange nicht leer geschaut. Man kommt zwar öfter zum Filme schauen in diesem neuen Leben, aber es gibt auch noch anderes.

prisma: Die Dreharbeiten zum vierten "Herr und Frau Bulle"-Film wurden unterbrochen, die Ausstrahlung des dritten Teils steht aber nun aber an. Was macht die Reihe in Ihren Augen sehenswert?

Alice Dwyer: Das Miteinander der Figuren hat eine Schrägheit, die man in kaum einem deutschen Krimi findet. Trotzdem werden ziemlich dreckige Fälle erzählt. Mir gefällt diese Mischung, auch wenn ich den Eindruck habe, dass nicht alle Leute verstehen, wie sie "Herr und Frau Bulle" einordnen sollen. Weil die Reihe eben nicht klar komödiantisch oder ernst ist. Sie hat eine Ambivalenz, die in Deutschland noch ein wenig ungewöhnlich ist. Bei den Briten, aber auch bei den Österreichern, ist diese Art Humor sehr viel verbreiteter.

prisma: Haben die Deutschen in Sachen Krimi Nachholbedarf, wenn es um den Grenzbereich zwischen Drama und Humor geht?

Alice Dwyer: Ja, das würde ich schon sagen. Es gibt wenige Formate in diesem Genre und mir gefällt, dass wir genau diesen Weg zu gehen versuchen. Es ist nicht immer leicht, den richtigen Ton zu treffen. Es ist sogar sehr schwer. Aber – es ist ein Genre, das ich sehr liebe, und eine große Aufgabe, unser Ergebnis weiter zu verbessern.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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