ZDF-Adelsexpertin Julia Melchior

"Letizia hat in Spanien die schwierigste Aufgabe"

von Wilfried Geldner

In der ZDF-Reihe "Beruf: Königin!" (ab 24.08.) porträtiert Julia Melchior eine neue Generation europäischer Königinnen, die nicht nur repräsentieren wollen. Letizia von Spanien, Mathilde von Belgien und Máxima der Niederlande setzen sich für Frauenrechte, schulische Bildung und Umwelt ein. Ein Interview mit der "Adelsexpertin" des ZDF.

Spätestens, seit Meghan Markle ihren Prinzen Harry am 19. Mai des vergangenen Jahres vor den Augen von Millionen Fernsehzuschauern auf Windsor Castle geheiratet hat, erleben europäische Adelshäuser eine neue Hochkonjunktur. Doch bei allem Glamour wird gerne vergessen, dass im Schatten der Briten eine ganze Generation moderner europäischer Königinnen auf den Plan getreten ist: Die Königinnen Letizia von Spanien, Mathilde von Belgien und Máxima der Niederlande sind selbstbewusste, beruflich ausgebildete Frauen, sie setzen sich weltweit für Frauenrechte, für gleichberechtigte schulische Bildung und gegen den Hunger in den armen Ländern ein. Die ZDF-Dokumentaristin und Adelsexpertin Julia Melchior (44) porträtiert im ersten Film am Samstag, 24.08., 19.25 Uhr, der Reihe "Beruf: Königin!" Letizia von Spanien.

prisma: Frau Melchior, Sie werden gerne "Adelsexpertin des ZDF" genannt. Wie wird man das?

Julia Melchior: Ich interessierte mich zunächst wie viele andere ganz einfach für die Übertragungen von großen Ereignissen. Ich habe mir die Hochzeiten von Maxima der Niederlande und Letizia von Spanien angeschaut. Aber wirklich zum Adel kam ich vor allem durch einen Film über Silvia von Schweden, den habe ich 2006 gemacht, danach kamen immer wieder Anschlussaufträge. Ich bin ja Dokumentarfilmerin von Beruf, unter anderem habe ich – eines meiner Lieblingsprojekte – einen Film über die Familie Thyssen für die ARD gemacht. Angefangen habe ich in der ZDF-Zeitgeschichte bei einem Dreiteiler über Stalingrad.

prisma: Das Titelbild zur Reihe zeigt die drei Damen – sie wurden allesamt durch Heirat zu Königinnen bestimmt – alle mit Krönchen, mit Diadem. Aber Sie setzen in den Filmen den Akzent auf den Nutzen für die Gesellschaft. Letizia, ausgebildete Journalistin, tritt beispielsweise für schulische Bildung, Frauenrechte und die Erforschung seltener Krankheiten ein. Sie wirkt dabei immer ein wenig streng.

Melchior: Sie ist sehr diszipliniert und geht ihre Themen ernsthaft an. Ich hoffe, dass man trotzdem die Herzlichkeit, die Letizia ausstrahlt, spürt. Die Bilder transportieren natürlich vor allem ihre Eleganz, das etwas Unnahbare. Der Film zeigt sie als perfekte Rednerin, etwa vor der FAO, der Welternährungsorganisation der UNO. Leider fehlt uns aber immer der letzte Schritt, das Interview mit der Königin. Die Königin hat noch nie ein persönliches Interview gegeben seit ihrer Verlobung 2003 mit dem damaligen Kronprinzen Felipe. Es liegt daran, dass sie kein bestimmtes Medium bevorzugen will. Im zweiten Film, über Mathilde von Belgien, wird das anders sein. Ihr konnte ich bei einem Rundgang durch den Brüsseler Palast Fragen stellen.

prisma: Darf man fragen, welche von den Dreien ihnen persönlich am besten gefallen hat?

Melchior: Ich denke, Letizia. Sie hat in Spanien die schwierigste Aufgabe. Sie steht der heutigen emanzipierten Frauengeneration am nächsten, kommt aus der Mitte der Gesellschaft und hat als TV-Journalistin und Moderatorin erfolgreich Karriere gemacht. Heute greift sie ihre ganz eigenen Themen auf. Sie versteht es, das Augenmerk auf gesellschaftliche Missstände zu lenken. Das haben allerdings alle drei Königinnen gemeinsam. Sie packen etwas an, wollen der Gesellschaft einen Nutzen stiften. Mathilde von Belgien ist dabei unglaublich würdevoll und majestätisch, aber trotzdem reizend und sehr persönlich. Maxima, argentinischer Abstammung, strahlt viel Power und Volkstümlichkeit aus.

prisma: Die Akzeptanz des spanischen Königshauses stieg in den letzten Jahren von unter 50 auf über 60 Prozent: nicht gerade viel.

Melchior: Man darf die Ausgangslage nach den Skandalen im Königshaus und auch die Katalonienkrise nicht vergessen, Spanien ist ja permanent von einer Spaltung bedroht. Das Königshaus ist das Symbol der Einheit, nicht selten werden von den Separatisten auf der Straße Bilder des Königs Felipe VI. verbrannt.

prisma: Bei der Ostermesse in der Kathedrale von Palma hat es unlängst einen kleinen Skandal gegeben. Letizia hat sich der Alt-Königin Sofia und den Enkeln auffällig entgegengestellt. Die Presse lief Sturm.

Melchior: Darüber gibt es nur Deutungen und Mutmaßungen. Die Königin achtet ja sehr darauf, dass ihre Töchter außerhalb der vereinbarten Fototermine nicht fotografiert werden. Letizia wollte wohl den Schnappschuss der Großmutter mit den Enkelinnen verhindern. Das war eine sehr unglückliche Situation.

prisma: Internet und Smartphones bedeuten eine ganz neue Herausforderung. Sie selbst wurden anlässlich der Berichterstattung von Meghans Hochzeit mit einem Shitstorm im Internet belegt.

Melchior: Wir fühlten uns total missverstanden. Ein begleitender Experte hatte aus einem Meghan-Blog zitiert und ein Kollege ein Zitat aus der "Times" hervorgekramt. Ich selbst hatte betont, Meghans Herkunft als Schauspielerin mit afroamerikanischen Wurzeln sei auch aus Marketing-Gesichtspunkten für das Königshaus genial, weil sie neue Kreise anspricht, die sich vorher nicht für die Monarchie interessierten. So ein Shitstorm ist unangenehm. Man bekam einen kleinen Eindruck davon, was es heißt, in der Öffentlichkeit zu stehen. Den Königsfamilien ergeht es so ein Leben lang.

prisma: Wie fühlt man sich als Dauergast neben einer Königin. Fällt da nicht auch ein wenig Glanz auf einen selber ab?

Melchior: Es ist eine sehr persönliche Beziehung zwischen uns in all der Zeit. Letizia fragt, wie unsere Filmarbeiten laufen, wir tauschen uns gegenseitig über die Kinder aus. Ich habe ja einen dreijährigen Sohn. Wie geht es den Kindern daheim? – Da ergeht es einer Königin nicht anders als einer Journalistin wie mir. Übrigens tauschen sich auch die Königinnen auf ihren Reisen untereinander ausführlich aus. Jede weiß, wie es der anderen gerade geht.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

Das könnte Sie auch interessieren