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"Fritzi – Eine Wendewundergeschichte": Die Wende als Märchen

von Hans Czerny

Der Animationsfilm "Fritzi – Eine Wendewundergeschichte" erzählt Mauerfall und Wende aus der Perspektive eines Kindes. Nach den Sommerferien kehrt Fritzis Freundin nicht aus dem Ungarn-Urlaub zurück. Nun will das kleine Mädchen den Hund ihrer Freundin über die Grenze bringen.

ARTE
Fritzi – Eine Wendewundergeschichte
Animationsfilm • 07.10.2020 • 20:15 Uhr

Am Grenzstreifen rast ein Jeep entlang, im Baumhaus daheim in Leipzig feiern Fritzi und ihre Freundin Sophie ein Abschiedsfest. Morgen will Sophie mit ihren Eltern nach Ungarn in die Ferien fahren, ihren Hund Sputnik – eigentlich müsste er Struppi heißen, wie sein Vorbild aus Belgien – lässt sie bei Fritzi zurück. Doch als die Schulferien zu Ende sind, kehrt Sophie nicht nach Leipzig zurück. "Die Hippies haben rübergemacht in den Westen!", sagt einer aus der Schulklasse mit den roten Pionier-Halstüchern, und Sophies Wohnung wird schon von der Stasi durchsucht. Der deutsch-luxemburgisch-belgische Animationsfilm "Fritzi – Eine Wendewundergeschichte" (2019, Regie: (Regie: Ralf Kukula, Matthias Bruhn) bringt den Fall der Mauer rechtzeitig zum 30. Jahrestag auf den einfachen Nenner eines Kindermärchens – so fantastisch wie reell.

Das Baumhaus, in dem Fritzi und Sophie von fernen Ländern träumen, ist in seiner tristen Umgebung schon mal ein Wahrzeichen für eine freiere, schönere Welt. Aber wozu in den Westen – bloß weil es dort immerzu Bananen und Coca Cola gibt?

Allmählich erwacht Fritzi aus ihrem Dornröschenschlaf: Erst fährt die Freundin für immer fort, und dann wird sie auch noch von Grenzsoldaten ins Gefängnis gesteckt. Fritzi ist mit der Klasse in eine grenznahe Jugendherberge gefahren und wollte von dort aus Sputnik mit einem Freund über die grüne Grenze bringen. Als sie erwischt wird, droht der Schulausschluss, ihre neue Lehrerin ist ein rechter Drachen. Doch ein "Gruppenrat" unter den Schülern widerspricht: Fritzi soll bleiben. Und so gerät sie mit ihrem neuen Freund hinein in die friedliche Leipziger Revolution, bis schließlich im Fernsehen die Grenzöffnung vermeldet wird. "Wann fahren wir los?" fragt Fritzi die noch verunsicherten Eltern.

So fährt eine schier endlose Trabi-Prozession, aus der Vogelperspektive gezeichnet, unterm Sternenzelt der Grenze entgegen. Bedrohliche Grenzer stecken nach einigem Zögern die Knarren weg, Fritzi hat Sophie wieder und Sophie ihren Hund. – Es ist eine schöne Geschichte, im drolligen Anime-Stil erzählt. Zeitgeschichtliches Wissen wird unterhaltsam verpackt. Allerdings geht es nicht ganz ohne pädagogischen Zeigefinger ab, die Staatstreuen sind teils Totenkopf-artig verzerrt, wie etwa die fiese Lehrerin. An der DDR wird hier kein gutes Haar gelassen. Aber diese Vereinfachung in Schwarzweiß im sonst so bunten Film sollte wohl sein. Um Kinder und Jugendliche zum Disput über die Vergangenheit einzuladen, taugt es allemal.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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