Von Großinvestitionen und kleinen Erfolgsgeschichten: Eine ZDF-Doku geht der Frage nach, in welchen Regionen und Wirtschaftsbereichen Ostdeutschland längst zum Westen aufgeschlossen hat.
Von den versprochenen "blühenden Landschaften", die der Einheitskanzler Helmut Kohl einst beschworen hatte, redet heute kaum ein Politiker gern. Zu bedrückend war lange die Realität von abgewickelten Industrien, Massenarbeitslosigkeit und Landflucht auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Doch die Gedenkfeierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung sind dann eben doch ein guter Anlass, die Gretchenfrage zu stellen: Die neue Dokumentation "ZDFzeit: Die große Ost-Bilanz" will wissen, wie es unter dem Strich um die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit im Osten aussieht. Und wer die Gewinner und Verlierer der Einheit sind.
Auch nach drei Jahrzehnten im gemeinsamen Staatengebilde sind die Angleichungsprozesse längst noch nicht abgeschlossen. Und viele Biografien weisen mit Mauerfall und Umbruchszeit klaffende Lücken auf. "Die ostdeutsche Elite wächst jetzt erst heran", sagt Reint E. Gropp, Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (IWH). Der Volkswirt vertraut auf den Faktor Zeit. Eine "Ostdeutschen-Quote" bei Führungspositionen lehnt er ab. "Ich hoffe, dass wir zunehmend weniger über Ostdeutsche und Westdeutsche reden. Wir sollten uns als Deutsche oder Europäer fühlen", erklärt Gropp.
Tatsächlich gibt es Themen, die ganz Deutschland elektrisieren – und immer öfter kommen die Anregungen aus dem Gebiet, das zwischenzeitlich so gerne schlagwortartig als "Fünf neue Bundesländer" bezeichnet wurde. In Brandenburg lässt der Tesla-Gründer Elon Musk derzeit unter Hochgeschwindigkeit ein europäisches Werk für E-Fahrzeuge hochziehen und beflügelt damit nicht nur eine Region, sondern eine ganze im Aufbau befindliche Industriesparte. Ähnliche zukunftsgerichtete Hoffnungen verbinden sich mit dem chinesischen Konzern CATL, der in der thüringischen Kleinstadt Arnstadt bei Erfurt ein Batteriewerk für E-Autos hochzieht.
Doch nicht nur mit den schlagzeilenträchtigen Großinvestitionen will sich der ZDF-Beitrag von Christian Bock und Andrea Schäfer beschäftigen: Die Filmemacher, die noch bis kurz vor Ausstrahlung an ihrer Doku arbeiteten, sammelten auch "kleinere" Beispiele für Erfolge in Ostdeutschland ein. So wird etwa das Start-up "Die Frischemanufaktur" aus Sachsen-Anhalt vorgestellt. Dort hat man Methoden entwickelt, Obst länger haltbar zu machen.
Oder die Zuschauer landen letztlich bei Robin Pietsch, Sternekoch und Unternehmer. Der ist mit seinem Geburtsjahr 1989 nur wenig älter als die deutsche Einheit. Und für ihn war sie immer Realität – gesellschaftlich wie wirtschaftlich. Deswegen nervt ihn das Reden über "Ost" und "West". Unterschiede nehme seine Generation schon längst nicht mehr wahr. Zum Glück.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH