Free-TV-Premiere bei ARTE

"Gemma Bovery – Ein Sommer mit Flaubert": selbstironische Neuinterpretation

von Jasmin Herzog

Martins neue Nachbarin heißt mit Nachnamen Bovery und hat auch sonst einige Ähnlichkeiten zur berühmten Romanfigur von Flaubert. Mehr und mehr verfällt ihr Martin in dieser nicht ganz ernst gemeinten Neuinterpretation.

ARTE
Gemma Bovery – Ein Sommer mit Flaubert
Komödie • 23.10.2019 • 20:15 Uhr

Was, wenn man die moderne Interpretation eines literarischen Stoffes lebt und es gar nicht weiß? Im Falle von "Gemma Bovery" merkt immerhin der Nachbar, dass die junge Frau nicht nur im Namen einer berühmten Figur des französischen Schrifstellers Gustave Flaubert ähnelt. Der Film von Regisseurin Anne Fontaine spielt wieder dort, wo sich die gebürtige Luxemburgerin auskennt: in ihrer Wahlheimat Frankreich. Der Film sprüht förmlich vor dem "Savoir Vivre" unseres Nachbarlandes und baut einige geschickte, humorvolle literarische Bezüge zu Flaubert ein, die Gott sei Dank auch dann verständlich sind, wenn man die Romanvorlage von 1856 nicht gelesen hat. ARTE zeigt die nicht ganz ernst gemeinte Adaption nun als Free-TV-Premiere.

Martin (Fabrice Luchini) scheiterte vor Jahren als Schrifststeller in Paris und betreibt nun die Bäckerei seines Vaters in der normannischen Provinz. Eher widerwillig hat er sich mit seinem langweiligen Leben als Familienvater abgefunden. Die ersehnte Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen, ergibt sich, als der Engländer Charlie (Jason Flemyng) mit seiner jungen Frau Gemma (Gemma Arterton) im Nachbarhaus einzieht.

Schon der Nachname "Bovery" weckt Martins Interesse. Nach und nach meint er, in Gemma eine moderne Madame Bovary getroffen zu haben. Fasziniert und obsessiv zugleich folgt er der Nachbarin auf Schritt und Tritt. Als sie dann auch noch eine Affäre mit dem lokalen Adelsspross Hervé (Niels Schneider) beginnt, sieht Martin das tragische Ende, welches Madame Bovary ereilte, auch auf Gemma zukommen. Er beschließt einzugreifen und die Fäden von Gemmas Leben in die Hand zu nehmen.

Wie schon bei Flaubert passiert im Film eigentlich nicht besonders viel, aber gerade in der Alltäglichkeit der Dinge liegt der Reiz: Sobald Gemma in der Normandie angekommen ist, verliebt sie sich in die französische Kunst, das Leben zu genießen. Lange Spaziergänge in wildromantischen Wäldern, guter Wein und das beste Brot der Welt. All diese Dinge fängt Christophe Beaucarne mit seiner Kamera so sinnlich ein, wie man sie selten sah: Wenn Martin Gemma beibringt, wie man Brotteig knetet, wird klar, dass es für erotische Szenen nicht immer nackte Haut braucht.

Kurze Zeit später muss Gemma jedoch erkennen, dass jede noch so romantische Vorstellung des Lebens nie ganz der Realität entsprechen kann. Sie fällt in einen Strudel aus Langeweile, Sehnsüchten und Träumen der letztlich zum Ehebruch und seinen Konsequenzen führt.

Wenngleich Gemma wohl Herzstück des Films ist, dreht sich die Handlung letztlich genau genommen mehr um Martin. Sie ist das Opfer seiner Frustration, seiner Langeweile – beginnend als stiller Voyeur sieht er sich zunehmend als eine Art Deus ex Machina und scheut sich nicht davor, das Leben der jungen Gemma zu manipulieren. Martin-Darsteller Fabrice Luchini schafft es aber zu jeder Zeit, seiner Rolle einen tollpatschig-sympathischen Charme zu geben, der den intelligenten Film immer wieder zu seinen komödiantischen, selbstironischen Wurzeln zurückholt.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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