Stephen King wäre stolz – Filmkritik zu „Weapons – Die Stunde des Verschwindens“

Manchmal braucht es gar nicht mehr als eine simple Idee, um Feuer und Flamme für einen Kinostart zu sein. „Weapons“ ist einer dieser Filme, auf den genau das zutrifft. Die Prämisse: Eines Morgens trifft eine Grundschullehrerin in ihrer Klasse lediglich ein einziges Kind an; von den anderen fehlt jede Spur. Dafür gibt es jedoch rätselhafte Aufnahmen von mehreren Kindern aus der betroffenen Klasse. Überwachungskameras zeigen, wie sie mitten in der Nacht ihr Elternhaus scheinbar freiwillig verlassen und mit zur Seite ausgebreiteten Armen rennend in der Finsternis verschwinden – und das noch dazu alle zeitgleich um 02:17 Uhr.
Was steckt hinter dem mysteriösem Verschwinden in „Weapons“?
Eine logische Erklärung dafür scheint es schlicht und ergreifend nicht zu geben. In ihrer Hilflosigkeit richtet sich die Wut der betroffenen Eltern gegen die Klassenlehrerin Justine Gandy (Julia Garner). Sie sind der festen Überzeugung, dass Justine etwas mit dem Verschwinden der 17 Drittklässler zu tun haben muss. Steckt die junge Frau tatsächlich dahinter? Weshalb verließen alle Kinder auf die exakt gleiche Art und Weise ihr Elternhaus? Und warum ist ein Junge, Alex (Cary Christopher), als einziger aus seiner Klasse nicht wie vom Erdboden verschluckt?
Aus diesen mysteriösen Fragen spinnt Regisseur und Drehbuchautor Zach Cragger eine Handlung, die uns Zuschauerinnen und Zuschauer regelrecht an die Leinwand fesselt. In mehreren Kapiteln lässt uns Cragger die Perspektive von unterschiedlichen Figuren einnehmen, darunter von Justine, Officer Paul Morgan (Alden Ehrenreich) oder auch dem stark aufgewühlten Archer Graff (Josh Brolin), der seinen Sohn und die anderen verschwundenen Kinder auf eigene Faust finden will.
Wie Horror-Profi Cragger „Weapons“ erzählt
Die episodenhafte Erzählweise macht „Weapons“ besonders sehenswert. Sie ermöglicht es uns, ein und dieselbe Szene aus verschiedenen Perspektiven zu erleben – ein Gimmick, das Regisseur Cragger sparsam, aber gekonnt einsetzt. Dadurch und durch die komplett neuen Szenen schließen sich beim Publikum nach und nach Wissenslücken; immer mehr Puzzleteile werden in unseren Köpfen zusammengesetzt. Den Faden verliert Cragger dabei nur selten und nie so lange, dass es wirklich stören würde.
Scheinbar überflüssige Informationen und Hintergründe zu den Figuren machen diese lebendiger – und führen dazu, dass wir mit ihnen mitfiebern. Dennoch hätte zumindest ein Erzählstrang ein wenig verkürzt werden können. Das ist jedoch Kritik auf hohem Niveau. Alle Figuren haben nämlich ihre Existenzberechtigung, indem sie zur Gesamtstory beitragen. Ihre Geschichten führt Cragger im letzten Akt geschickt zusammen.
Ein Meisterwerk des Horrors?
Einzig und allein im Finale zeigt „Weapons“ wirkliche Schwächen. Die Auflösung ist zwar durchaus fesselnd, allerdings bleiben zu viele Fragen unbeantwortet. Dadurch erscheinen manche Entwicklungen nicht ganz logisch, könnten es jedoch sein, wenn wir mehr über die Regeln der Welt erfahren würden. Auch das Schicksal mancher Charaktere wirkt teils künstlich zurechtgebogen, um in die Handlung zu passen. Das kann Zuschauerinnen und Zuschauer etwas unbefriedigt zurücklassen. Einerseits ist das sinkende Niveau im Finale bitter, da der Film ansonsten keine Wünsche offenlässt und scheinbar nur haarscharf an einem Meisterwerk vorbeigeschrammt ist.
Andererseits wird das Wort „Meisterwerk“ ohnehin viel zu oft ins Feld geführt – und zudem ändern die Unstimmigkeiten im Finale nichts daran, dass es sich bei „Weapons“ um einen sehr guten und sehenswerten Film handelt. Regisseur Cragger legt schon früh im Film Fährten aus, an die wir uns im Laufe der Handlung erinnern und daran erfreuen können. Immer wieder lässt Cragger auch seinen Humor aufblitzen, den er in der Vergangenheit schon bei mehreren Komödien unter Beweis gestellt hat. Ein Horrorkomödie, wie es zwischenzeitlich geheißen hatte, ist „Weapons“ trotz einiger witziger Szenen jedoch nicht.
„Weapons“: Auf den Spuren Stephen Kings
Vor allem aber versteht es Cragger geradezu meisterhaft, aus einem Mysterium heraus Spannung aufzubauen und über eine lange Laufzeit hinweg aufrechtzuerhalten. 2022 hatte er das bereits mit „Barbarian“ unter Beweis gestellt, der ebenfalls wendungsreich und fesselnd daherkam und nicht nur mit seiner Grundidee überzeugen konnte. Jumpscares gibt es nur wenige; Cragger setzt auf Atmosphäre, eine konstante Bedrohung, die lange im Dunkeln bleibt. Und auf das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt, wobei er auch häusliche Gewalt thematisiert.
Dazu trägt auch die Musik bei. Filmfans können sich darüber hinaus an der Inszenierung erfreuen; vor allem die vielen längeren Kameraeinstellungen und wohlüberlegten Kamerafahrten sind eine Augenweide. Hinzu kommen die schauspielerischen Leistungen. Neben Josh Brolin (u.a. aus der neuen „Dune“-Reihe bekannt) und Alden Ehrenreich („Solo: A Star Wars Story“) weiß vor allem Julia Garner zu überzeugen. Dass sie Angst wie keine Zweite glaubhaft darstellen kann, hat sie unter anderem schon in „Wolfman“ (2025) und „The Royal Hotel“ (2023) gezeigt.
Zu guter Letzt erinnert „Weapons“ immer wieder an Werke Stephen Kings. So gibt es etwa eine Anspielung an die Romanverfilmung „Shining“ (1980). Eine Szene weckt Erinnerungen an den Horrorclown Pennywise aus den „Es“-Buchverfilmungen, eine weitere an die Reihe „Kinder des Zorns.“ Vor allem aber sind es die Tiefe und die Dramatik in der Erzählung sowie die ständige Bedrohung und nicht zuletzt die wichtige Rolle, die das Thema Kindheit einnimmt, die nur allzu leicht an den Meister des Horrors denken lassen.
„Weapons – Die Stunde des Verschwindens“ läuft seit dem 7. August 2025 im Kino.
Du willst keine News mehr verpassen? Auf unserem WhatsApp-Kanal informieren wir dich über die Top-News aus der TV- und Streamingwelt!