David Finchers "Der Killer" mit Michael Fassbender: Unterwegs mit dem Auftragsmörder
Regisseur David Fincher erzählt in "Der Killer" die Geschichte eines Auftragsmörders aus dessen Ich-Perspektive. In dem furiosen existenzialistischen Trip geht Star Michael Fassbender auf die Jagd. Das Action-Spektakel gibt es ab dem 10. November bei Netflix zu sehen.
Auftragsmörder gab und gibt es viele in der Kino-, Fernseh- und Streaminggeschichte. Sie waren furchteinflößend ("No Country For Old Man"), saucool ("Pulp Fiction") oder sogar überraschend zartfühlend ("Leon – Der Profi"). Eine eher kleine, aber besonders faszinierende Erzähltradition widmet sich dem lakonischen Killer, dem man einfach nur bei der Arbeit zusieht. Der Klassiker des Genres entstand 1967 unter der Regie von Jean-Pierre Melville und verlieh seinem Hauptdarsteller Alain Delon auf Lebzeiten den Beinamen "Der eiskalte Engel". Ebenfalls sehenswert in dieser Kategorie: George Clooney in "The American" von Anton Corbijn (2010). Nun fügt Thriller-Großmeister David Fincher mit "Der Killer" (ab 10. November bei Netflix) dem Genre ein neues zweistündiges Werk hinzu, das man ebenfalls nicht so schnell vergessen wird.
Michael Fassbender als wortkarger Killer
Der irische Charakterdarsteller und Superstar Michael Fassbender ("Steve Jobs") glänzt als namenloser Protagonist, der im Film nur wenige Sätze spricht, aber sein Denken und Handeln per Voice-Over kommentiert. Verantwortlich für jene Zeilen ist Andrew Kevin Walker, der zum ersten Mal seit seinem ikonischen Thriller "Sieben" wieder als verantwortlicher Drehbuchautor mit David Fincher zusammenarbeitet.
Dabei ist der Film so streng komponiert wie jene Morde, für die der Killer wohl fürstlich bezahlt wird. In fünf Kapitel ist die Geschichte unterteilt, welche die Hauptfigur von Paris über die Dominikanische Republik nach New Orleans, New York und Chicago führen. "Beeindruckend, wie viele Meilen Sie gesammelt haben", sagt in einer der typischen Flughafen- und Reiseszenen eine Check-in-Mitarbeiterin zum Helden, dessen Solo-Ritt nur durch wenige prägnante Reisebegegnungen (unter anderem mit Tilda Swinton) ergänzt wird.
Zu Beginn des Films braucht man ein wenig Geduld oder man muss ein Fan von Alfred Hitchcocks "Das Fenster zum Hof" sein. Von einer noch nicht bezogenen Büroetage aus beobachtet der Killer in einer typisch pittoresken Pariser Wohnstraße sein designiertes Opfer im Haus gegenüber. Offenbar wartet er auf den richtigen Moment zuzuschlagen. Dabei helfen Yogaübungen, die stetige Pulskontrolle via Smartwatch oder auch Musik von The Smiths, die den Protagonisten neben dem gewohnt enervierenden Score von Trent Reznor (Nine Inch Nails) und Atticus Ross ständig über seine Ohrstöpsel begleiten.
Unauffällig und unattraktiv wie ein deutscher Tourist
Weil man sehr viel mehr Spaß am Film hat, wenn man zu Anfang wenig über den Plot weiß, soll nur so viel verraten werden: Bei der Ausführung des Paris-Jobs geht für den stets in planerischer Perfektion vorgehenden Killer etwas schief – was den weiteren Verlauf seiner Reiseroute beeinflusst. Faszinierend am Film, der selbst für jene gehobenen Ansprüche, die man an Fincher stellen darf, handwerklich und schauspielerisch ins oberste Regal gehört, ist die Präzision, der man hier beiwohnt: Sie beginnt beim Versuch des Profi-Töters, möglichst unauffällig zu sein, indem er sich wie ein "deutscher Tourist" kleidet, den "niemand mag", aber an den sich auch niemand erinnert, wie es in einem der Off-Kommentare aus der Feder Andrew Kevin Walkers heißt. Dazu schläft der Killer in langweiligen Budget-Hotels, nutzt überall anonyme Lager mit Pässen, Waffen und Nummernschildern und redet nur so viel, wie es den Minimalanforderungen im Umgang mit Menschen genügt.
Faszinierend an "Der Killer" ist neben seiner Plot-Dynamik und dem Betrachten eines ungewöhnlichen Handwerks in (geplanter) Perfektion die Frage: Wird der Killer sein Mantra bis zum Ende durchziehen – oder wird auch er zu einem jener Menschen, die emotional reagieren und deshalb verwundbar sind. Diese philosophische Betrachtung steckt auf jeden Fall drin in der Adaption einer französischen Kult-Graphic Novel-Reihe, die von Alexis Nolent (aka Matz) und Luc Jacamon erschaffen wurde und ebenfalls "Der Killer" heißt.
Ob man sich mit dem Auftragsmörder, aus dessen Ich-Perspektive der gesamte Film erzählt wird, identifiziert? Ja, natürlich. Sonst würde das Ganze nicht funktionieren. Das Großartige an Michael Fassbenders preisverdächtiger Darstellung ist jedoch: Man bleibt stets ambivalent fasziniert. Bis zum Ende, über das wohl niemand am Anfang denken würde, dass es so ausgeht.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH