TV-Doku über die Anfänge der Diktatur

"Als der Reichstag brannte": Nazis schieben Schuld jungem Holländer zu

07.03.2023, 08.05 Uhr

Nachdem Hitler 29 Tage an der Macht war, brannte der Berliner Reichstag. Schnell haben die Nazis dafür einen Schuldigen gefunden. Ein junger, fast stummer Niederländer soll der alleinige Täter gewesen sein. Nicht verwunderlich, dass an dieser Theorie etwas nicht stimmt. Die Doku "Als der Reichstag brannte" beleuchtet den Tathergang und beweist, Marinus van der Lubbe kann es nicht alleine gewesen sein.

ARTE
Als der Reichstag brannte
Dokumentation • 07.03.2023 • 20:15 Uhr

In der anlässlich des Datums der "Machtergreifung" Hitlers vom Januar 1933 gedrehten ARTE-Doku wird die Geschichte des Reichstagsbrands vom 27. Februar 1933 noch einmal minutiös rekapituliert. Die neue Digitalisierung der zahlreichen Archivaufnahmen bringt es mit sich, dass einem dieser wichtige Moment der Geschichte, ein mit großer Wahrscheinlichkeit schlau eingefädelter Coup der Nazis, äußerst nahe geht. Der Niederländer Marinus van der Lubbe, der kurze Zeit später im folgenden Prozess als alleiniger Täter ausgemacht und zum Tod verurteilt wurde, erlebte die Aufhebung dieses Urteils nicht mehr selbst. Er wurde am 10. Januar 1934 in Leipzig enthauptet. Der Film "Als der Reichstag brannte" von ARTE France legt nahe, dass er keinesfalls der Alleintäter war.

Das Schicksal des jungen Niederländers bewegt noch heute

Zwar sind die Aufnahmen dieses offensichtlich verstörten, möglicherweise unter Drogen gesetzten 24-jährigen arbeitslosen Niederländers mit dem stets gesenkten Kopf, der kein Deutsch konnte und auf einem Auge fast erblindet war, auch nach 100 Jahren noch bewegend. Doch der ARTE-Film (Autor: Mickaël Gamrasni) macht vor allem deutlich, welch zentrale Bedeutung der Brand des Reichstags für den Aufstieg Hitlers und der Nazis hatte. Den Kommunisten galt ihr ganzer Hass, mit ihnen lieferte man sich Straßenkämpfe, man jagte sie aus dem Parlament. Hermann Göring, bereits Reichstagspräsident, forderte die SA zum Prügeln und zum fleißigen Erstgebrauch der Schusswaffen auf.

Wie der Brand Hitler zur Machtergreifung verhalf

So teilt sich der durchgehend mit Kommentar unterlegte Film in drei Aspekte auf: in die Geschichte Machtergreifung mit dem anwachsenden Terror und der Furcht vor Arbeitslosigkeit und einer roten Revolution unter der Bevölkerung, in die minutiöse Beschreibung der Nacht vom 27. Februar 1933 mit zahlreichen Erst- und anderen "Zeugen", wie nicht zuletzt Hitler, Göring und Goebbels, die kurz nach 21.00 Uhr am spektakulär brennenden Reichstag eintrafen. So erstaunlich wie perfide war dann der Schauprozess gegen vier bulgarische Kommunisten und van der Lubbe in Leipzig und Berlin, mit dem die Nazis der Welt ihre Rechtsstaatlichkeit beweisen wollten. Als van der Lubbe aussagte, er habe sich kurz vor dem Brand mit SA-Leuten getroffen, schaltete der übertragende Rundfunk die Gerichtsübertragung kurzfristig aus.

Dass der Reichstagsbrand ein Fanal war, das kurz darauf symbolhafte Bedeutung erlangte, steht außer Frage. Aber auch, dass der Brand inszeniert und von langer Hand vorbereitet war, dass er Hitler tatsächlich zur Festigung der Diktatur verhalf, auch das macht die packende 90-minütige Dokumentation wie unter einem Brennglas deutlich.

Als der Reichstag brannte – Di. 07.03. – ARTE: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte dich auch interessieren