"Blind ermittelt – Lebendig begraben": Krimi dreht sich im Kreis
Bei einem ermordeten Anwalt findet sich die Notiz "17.10.2017" – es ist der Tag, an dem Kommissar Haller das Augenlicht verlor. Was hat der Fall mit ihm zu tun?
Wer dranbleibt, wird am Ende des fünften Films von "Blind ermittelt" mit einem kühnen Showdown auf dem legendären Wiener Zantralfriedhof belohnt. Der blinde Ex-Kommissar Alexander Haller (Philipp Hochmair) und sein ruppiger Sidekick Niko Falk (Andreas Guenther) müssen dann bei ablaufendem Ultimatum die lebendig begrabene Chefkommissarin Laura Janda (Jaschka Lämmert) erretten, Hallers Nachfolgerin im Amt. Dass das gelingt, so zwischen Beethoven und Mozarts Grabmalen, ist in diesem "Wien-Krimi" (Regie: Jano Ben Chaabane) natürlich Hallers überaus feinem Gehör zu verdanken – und dem Wissen um den guten alten Brauch, Toten ein "Scheintodglöckchen" mit in den Sarg zu geben, für den Fall, dass diese erwachen.
"Drah di' ned um, der Kommissar geht um": Schade, dass die Falco-Zeile hier nicht ganz passt. – Ein Durchgeknallter geht nämlich um, der auf Rache sinnt und alle niedermacht. Alle, die damals vor vier Jahren seinen Bruder, den Herrn Lehrer, wegen eines Mädchenmordes verurteilt haben, der sich dann in der Zelle das Leben nahm. Eben deshalb musste der Herr Anwalt dran glauben, und fast hätte es ja auch den Psychiater erwischt, bei dem der Wahnsinnige in Therapiestunden ging. Bald würden auch Haller und seine frühere Kollegin Laura dran glauben müssen, es ist nur eine Frage der Zeit.
Offensichtlich pflegen sie jenseits der rot-weiß-roten Grenzen (siehe Tatort "Die Amme") neuerdings einen scharfen Thrillerstil, der viel mit Versatzstücken arbeitet und weniger kleckern als klotzen will. Im Falle des Donnerstagskrimis "Blind ermittelt: Lebendig begraben" (ORF / ARD) verwundert das allerdings einigermaßen. Immerhin war die vorherige Folge, "Tod im Fiaker", ein schöner Wienkrimi, der tollkühn das Sightseeing mit dem Kokainhandel der Fiaker verwob.
Diesmal überschätzen die Macher aber doch das Interesse am traurigen Werdegang des erblindeten Ex-Kommissars. Der müsste nun viel schweigend leiden, weil er just zum Zeitpunkt seiner Erblindung einen Unschuldigen in den Hefn brachte. Stattdessen geht es aber recht laut und ruppig zu, wofür vor allem Hallers raukehliger Piefke-Kumpel Niko sorgt. Der darf – wie in der "Fiaker"-Folge zuvor – auch diesmal wieder undercover ran – und nimmt dann fast den falschen Barmann hoch, Berliner und Union-Anhänger wie er. Was, wenn Hallers Hadern mit dem eigenen Versagen und seine Verfolgungsängste auf nichts weiter zurückzuführen wären als auf Hirngespinste? Entgegen Nikos These weiß der Zuschauer da von Anfang an bereits zu viel. Der in schönsten Wiener Ringstraßen-Kulissen spielende Krimi dreht sich lange Zeit im Kreis wie ein Prater-Karrussel, schier Mantra-mäßig wird die Psyche des Mörders, sein Leiden am Tod des dominanten Bruders, offengelegt.
Am Ende singt Wolfgang Ambros: "Es lebe der Zentralfriedhof!" Es will nicht so recht zum Vorherigen passen, es fehlt der schwarze Humor. Zu viel hat der Ex-Kommissar mit dem weißen Langstock und dem inneren Auge an den eigenen Existenznöten zu tragen. "Blind ermittelt": Sollte es Haller so wie einst Kottan treiben? – Dazu fehlt ihm bislang die notwendige Lockerheit – ein paar totgeglaubte Wiederauferstandene, ein Messer im Knie und ein Glöckchen im Sarg reichen dazu so wenig wie der Ambros-Abgesang.
Der Wien-Krimi: Blind ermittelt – Lebendig begraben – Do. 15.04. – ARD: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH