Die Rückkehr von Hallo Spencer: Ein Weihnachtsmärchen von Jan Böhmermann







Eine legendäre Puppenshow erwacht zu neuem Leben: Jan Böhmermanns "Hallo Spencer" bringt nicht nur Nostalgie, sondern auch scharfe Kapitalismuskritik auf den Bildschirm. Rainer Bock glänzt in der Hauptrolle, während der alternde Puppenspieler Jakob Sesam um seine Puppenfamilie kämpft.
Der alternde Puppenspieler Jakob Sesam (großartig: Rainer Bock) lebt mit seinen Puppen aus der längst abgesetzten Puppenshow "Hallo Spencer" in einer stillgelegten Diskothek – und träumt sich mit ihnen in die Vergangenheit zurück. Als die Besitzerin der Immobilie (Victoria Trauttmansdorff) das Gelände für zehn Millionen Euro verkaufen kann, weil dort ein Altersheim errichtet werden soll, bekommt Sesam eine knappe Auszugsfrist.
Die einzige Chance, um seine Puppenfamilie und die alten Kulissen der Show zu retten, wäre, wenn er selbst seiner Vermieterin die zehn Millionen geben würde. Finanzieren will der Puppenvater dies mit einem Film-Comeback seiner TV-Show "Hallo Spencer". Doch auch dafür bräuchte man eine Stange Geld. Unterstützt von seinen Puppen und Freundin Luise (Margarita Broich) steigt Jakob Sesam in die neue Unterhaltungswelt des Fernsehens, Streamings und Kinos ein, das sich seit seinen erfolgreichen Tagen stark verändert hat.
Auf seiner Reise trifft Sesam merkwürdige Medienleute wie das Markenrechte-Inhaberpaar Jette (Marina Galic) und Magnus Wilde (Jens Harzer), zahlreiche Chefs von Sendern, die sowohl dem NDR wie diversen aus dem echten Leben bekannten Streamingdiensten nachempfunden sind, aber auch Unterstützer wie einem geheimnisvollen Musiker (Dirk von Lowtzow von Tocotronic, der ein Lied singt). Wird das Gute, also die Welt der Puppen, gegen die Brutalität des Kapitalismus siegen?
Drehbuchautor Jan Böhmermann, der selbst eine kleine Rolle als Lieferant in dem bezaubernden 90-Minüter übernimmt, hat der in weiten Teilen wahren Geschichte rund um seine Lieblingsfernsehshow aus Kindertagen (1979 bis 2001) mit diesem klugen Weihnachtsfilm ein wunderbares Denkmal gesetzt. "Hallo Spencer" ist ab dem 13. Dezember in der ZDF-Mediathek verfügbar und läuft nach der linearen Ausstrahlung bei ZDFneo am Freitag, 27. Dezember, um 23.45 Uhr, auch beim ZDF.
"Geld löst nur die Probleme, die man ohne Geld gar nicht hätte"
Zu Beginn muss man der skurrilen Erzählung, in der die echten alten Puppenspieler Figuren wie Spencer, Elvis, Lulu, Poldi und Co. wiederaufleben lassen, ein wenig Zeit geben. Da gilt es, sich auf die ungewöhnliche Erzählweise, die Welt der Puppen und Böhmermanns leicht überzeichnete, aber im Kern wahre Beschreibung der modernen Medienwelt hineinzufinden. Ebenso großartig wie fies ist auch das sexuell überdrehte Besitzerpaar der Markenrechte, Jette und Magnus Wilde, das vom echten Hamburger-Bühnenstar-Ehepaar Jens Harzer und Marina Galic gespielt wird. Auch Winfried Debertin, tatsächlicher "Hallo Spencer"-Erfinder und sozusagen Jakob Sesams Rollenvorbild, übernahm eine Rolle.
Nur ein Beispiel für die klugen Dialoge ist jene Reportszene, in der die Markenrechtebesitzer von ihren Marketingleuten eine Studie präsentiert bekommen, in der abgeklopft wurde, was aus "Hallo Spencer" noch herauszuholen wäre. Da heißt es Böhmermann-typisch: "In Westdeutschland hat die Marke noch eine Bekanntheit von 35 Prozent. Das entspricht in etwa dem Level von Martin Semmelrogge oder Gustav Gans. Da hängt unheimlich vie Gefühlspotenzial dran, das ist irgendwie Kindheitserinnerung – vergessene Kindheitserinnerung." Daraufhin Jette Wilde emotionsfrei: "Aber können wir damit Geld verdienen?"
Überhaupt lösen Böhmermann, seine Co-Autoren Elias Hauck und Tim Wolff sowie Regisseur Timo Schierhorn die märchenhafte Erzählung im Sinne einer Weihnachtsbotschaft auf, die da lautet: Der Kapitalmus kann uns zwar unsere Existenz rauben, aber unsere Seele bekommt er nicht. Oder wie es die aus "Hallo Spencer" bekannte Außeridischen-Puppe am Ende Jakob Sesam vermittelt: "Geld löst nur die Probleme, die man ohne Geld gar nicht hätte. Das Geld zieht nur den Eigennutz an und verführt stets zum Missbrauch. An Geld fehlt es dir nicht, du musst nur loslassen."
Hallo Spencer – Der Film – Mi. 25.12. – ZDFneo: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH