Diskussion bei "Hart aber Fair"

Stehen die Russen hinter Putin? "Sie können doch nur 'Ja' sagen"

03.05.2022, 07.40 Uhr
von Annika Schmidt
Pro-russische Demonstranten befürworten die Handlungen ihres Präsidenten.
Pro-russische Demonstranten befürworten die Handlungen ihres Präsidenten.  Fotoquelle: picture alliance / EPA | ANDREJ CUKIC

Laut einer aktuellen Umfrage befürworten 82 Prozent der russischen Bürger den Krieg in der Ukraine. Bedeutet das, die Russen sind roh und grausam? Auch die Deutschen waren einst verblendet in der Nazi-Zeit. Doch kann man Putin mit Adolf Hitler vergleichen? Darüber diskutierte Frank Plasberg am Montagabend in der ARD-Talkshow "Hart aber Fair".

Ein Kriegsziel scheint Putin erreicht zu haben, der russische Präsident ist seit dem Angriff auf die Ukraine in seinem Land deutlich beliebter geworden. Bereits 1999 nach dem Tschetschenien-Überfall stiegen Putins Umfragewerte sprunghaft an und ebenso 2014, als die Krim annektiert wurde. Was sagt das über die russischen Bürger aus? "Es sagt nicht viel über die russische Gesellschaft, dass das so ist. Es sagt etwas über Menschen aus", ordnete die deutsch-ukrainische Publizistin Marina Weisband die Lage in der ARD-Talkshow ein. Dies sei eher eine psychologische Frage, die jahrelange Propaganda, der die Menschen in Russland ausgesetzt seien, würde dabei eine zentrale Rolle spielen.

Der Journalist Michel Friedmann sah Putins Anzetteln eines Krieges als ein typisches Instrument, das Diktatoren anwenden, wenn sie geschwächt seien. Mit einem Krieg könne man die Solidarität in der eigenen Bevölkerung stärken und somit die Beliebtheitswerte steigern. Diese aktuelle Kriegslust hätte es so vor Putins Angriffe nicht gegeben, die hätte das Regime in die Gesellschaft gesät. Ob die Umfragewerte des Levada Instituts wirklich die Meinung der Russen widerspiegelt, bezweifelte der Historiker Stefan Creuzberger. "Auch die Tatsache, dass es ein unabhängiges Institut ist, sagt noch nicht allzu viel aus", erklärte der Professor für Zeitgeschichte. Russland sei zu einer Diktatur geworden und daher sei es schwierig offen seine Meinung zu äußern. "Sie können doch nur 'Ja' sagen. 'Dagegen', um Himmelswillen, dann sind Sie gleich weg. Und verdächtig sind Sie erst recht, wenn sie gar nichts sagen", so Creuzberger, daher seien diese Umfrageergebnisse nicht repräsentativ.

Hitler und Putin – macht ein Vergleich der Diktatoren Sinn?

Die Angst, offen zu sprechen und die heftige Propaganda im russischen TV bestätigte auch Frank Plasbergs Gast Narina Karitzky, die in Moskau aufgewachsen ist. Die russische Berichterstattung sei mit "vielen ausdrucksvollen Bildern, Augenzeugen, Expertenmeinungen" gefüllt. "Das Bildmaterial aus dem Westen wird wie vor Gericht untersucht und widerlegt", beschrieb die Leiterin einer Schule für russische Sprache und Kultur die Situation.

Doch was kann Deutschland gegen diese Propaganda tun? Etwa den Kreml-treuen TV-Sender RT hierzulande sperren? Bei dieser Frage entbrannte ein hitziger Wortabtausch zwischen Michel Friedmann und dem FDP-Urgestein Gerhart Baum. Während Friedmann für ein sofortiges Abschalten eintrat, um Putin nicht zu helfen, seine Lügen zu verbreiten, plädierte Gerhart Baum dafür, das nicht zu tun, um die Meinungsfreiheit als demokratisches Gut zu schützen. 

Sowohl in den Medien, als auch von einigen Historikern werden immer häufiger Parallelen zwischen Putin und Hitler gezogen. Beide führten einen rücksichtslosen Angriffs- und Propagandakrieg. Doch macht ein Vergleich der beiden Diktatoren überhaupt Sinn? Ja, vertrat Stefan Creuzberger die Meinung, denn nur so ließen sich Zeitgeschehnisse besser einordnen. Dennoch sei Putin nicht mit Hitler auf eine Stufe zu stellen. Der deutsche Diktator sei "untrennbar mit dem Holocaust verbunden", gab Narina Karitzky zu bedenken. Einen Punkt sollte man jedenfalls aus der grausamen Geschichte der Nazi-Zeit gelernt haben, stellte Marina Weisband zum Ende der Talkshow fest. "Wenn man nichts tut, hilft man dem Aggressor", denn sowohl in Putins Krieg, als auch damals bei Hitler gäbe es keine neutrale Position. 

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