Kritik zum ZDF-Film

"Alles auf Rot": schmutzige Abhängigkeiten

02.05.2022, 08.12 Uhr
von Christopher Schmitt

In diesem Polizeifilm hat wirklich niemand eine weiße Weste: dDe Krimi-Reihe um die Hamburger Polizisten Kessel und Diller findet mit "Alles auf Rot" ein würdiges Ende.

ZDF
Alles auf Rot
Krimi • 02.05.2022 • 20:15 Uhr

Drei gefeierte Vorgänger und ein Cast, der hohe Erwartungen schürt: Mit "Alles auf Rot" vollendet Regisseur und Drehbuchautor Lars Becker seine Kriminal-Reihe um die Hamburger Polizisten Kessel und Diller – und wird allen Erwartungen gerecht. Klangvolle Namen wie Fritz Karl, Nicholas Ofczarek, Jessica Schwarz und Kidar Khodr Ramadan liefern allesamt, was sie versprechen und treiben sich in dem rauen Polizeikrimi gegenseitig zu Höchstleistungen. Ihre Figuren sind durch den Roman "Unter Feinden" des Juristen Georg M. Oswald inspiriert. Nachdem der Film bereits auf ARTE zu sehen war, zeigt ihn das ZDF nun zur besten Sendezeit.

In einem Brautmodengeschäft finden sich üblicherweise erwartungsfrohe Menschen ein, die auf den vermeintlich schönsten Tag ihres Lebens hinfiebern. Doch zwei verhängnisvolle Telefonate lassen Böses erahnen: Kurz darauf werden ein Dealer und seine Braut erschossen. Bei der Dame, die im Hochzeitskleid starb, handelt es sich um die Tochter des inhaftierten Gangsters Walid Schukri (Kida Khodr Ramadan). Dieser bietet seinem Mithäftling und ehemals korrupten Polizisten Erich Kessel (Fritz Karl) ein Kopfgeld für den Mörder an. Kurz darauf kommt Kessel auf Bewährung frei, und sein alter Kumpel Mario Diller (Nicholas Ofczarek) hat ihm einen Job als Barmann auf St. Pauli besorgt.

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Herausragender Cast

Doch Staatsanwältin Soraya Nazari traut Kessel nicht über den Weg und lässt ihn abhören. Sie ahnt bereits, dass der Libyer Shukri Kessel auf dem Gehaltszettel hat. Privat versucht der ehemalige Gefangene ebenfalls, wieder Fuß zu fassen und sich seiner Frau Claire (Jessica Schwarz) anzunähern. Wie einst Kessel hat sie mit einem Drogenproblem zu kämpfen und greift immer öfter zur Flasche.

Der gesamte Cast um Fritz Karl funktioniert in der jeweiligen Rolle sowie im Kollektiv tadellos. Besonders das Dreiergespann der ehemaligen Kumpels Kessel, Diller und Epstein (Martin Brambach) bringt viele zwischenmenschliche Nuancen in die Dialoge ein. Kompromisslose Männerfreundschaft war gestern, zu viel ist passiert. Doch obwohl man sich längst nicht mehr blind vertrauen kann, sich zwangsläufig sogar kritisch beäugt, scheint immer noch eine Verbindung zwischen den ehemaligen Kollegen durch.

Kida Khodr Ramadan verkörpert den libyschen Gangsterboss Schukri genauso souverän wie seine Rolle in "4 Blocks" – in der Dramaserie spielte er sich als libanesischer Clanchef "Toni" Hamadi in den Vordergrund. Mögen sich die Rollen auf den ersten Blick extrem ähneln, gibt es jedoch eindeutige Unterschiede: Als Hamadi war Ramadan nicht nur Gangster, sondern auch warmherziger Familienvater. Diese Ebene gibt es hier nicht, als Walid Schukri ist er berechnend und eiskalt.

Intensiv bis zum Ende

Neben diesem Ensemble zu bestehen, ist sicherlich nicht einfach. Demnach ist auch die Leistung der weniger prominenten Schauspielerinnen und Schauspieler hervorzuheben, welche allesamt Kiez-Authentizität verkörpern. Allen voran Slavko Popadic als dem Publikum schnell bekannter Täter Goran Jankovic, aber auch Josefine Israel als Prostituierte Debbie und Sascha Reimann alias Ferris MC als deren Zuhälter.

Und wie es sich für einen Krimi aus dem Hamburger Rotlichtviertel gehört, zieht der Film seine Faszination unter anderem aus der Koexistenz, ja gar der wechselseitigen Abhängigkeit von Polizei und Kriminellen. Die Ordnungshüter und Ordnungshüterinnen müssen irgendwie an ihre Informationen kommen. Im Gegenzug werden ein oder sogar beide Augen zugedrückt. Die kleinen Fische auf dem Kiez brauchen einen gewissen Schutz der Polizei vor den großen Haien. Doch Garantien gibt es auf beiden Seiten nicht. Im Zweifel wird auch in der Ermittlungsarbeit zu unlauteren Mitteln gegriffen.

Erzählt wird viel an den Theken der schummrigen Kneipen, doch manchmal ist das letzte Wort genau eines zu viel – und dann fliegen humorlos die Fäuste. Bis zuletzt hält Lars Becker die Intensität hoch und arbeitet auf das große Finale hin. Mit dem schmutzigen "Alles auf Rot" gelingt dem Regisseur und Drehbuchautor ein Ende der Reihe, welches den starken Vorgängerfilmen gerecht wird.

Alles auf Rot – Mo. 02.05. – ZDF: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH
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