Kritik zum neuen Fall

"Tatort: Warum" – ein völlig sinnloser Tod

01.05.2022, 20.17 Uhr

Ein junger Mann, denn offenbar jeder mochte, wird ermordet. Finden die Ermittler trotzdem ein Motiv? Der neue Franken-"Tatort" wird vor allem aus Sicht der Hinterbliebenen erzählt.

ARD
Tatort: Warum
Kriminalfilm • 01.05.2022 • 20:15 Uhr

Der achte fränkische "Tatort" beginnt mit einer schönen, weil liebevoll sanften Bettszene. Eine Frau (Julie Engelbrecht) versichert sich in spielerischer Gewissheit der Zuneigung ihres Partners (Caspar Schuchmann), indem sie ihre Körperteile nacheinander benennt und wissen möchte, ob der Befragte diese liebt. Dazu hört man frühsommerlich leichten Folk, der auch noch weiter erklingt, als in der nächsten Szene der aus dem Bett bekannte Mann mit seiner Mutter (Valentina Sauca) telefoniert und sich beide, ebenso liebevoll, für ein gemeinsames Essen am gleichen Abend verabreden. Es besteht kein Zweifel: Lukas Keller, so der Name des freundlichen Protagonisten, steht mitten im Leben – und das Leben steht auf ihn. Leider hört der Folksong irgendwann auf zu spielen, und Lukas liegt brutal ermordet in der Gosse.

Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel), Ermittelnde im Fränkischen, müssen in ihrem neuen "Tatort: Warum" den Mord an einem Menschen aufklären, den offenbar jeder mochte. Nirgendwo findet sich anfangs ein Motiv, das erklären könnte, warum Lukas sterben musste.

Als die Ermittelnden mit den getrennt lebenden Eltern des Opfers sprechen, treffen sie auf eine Wand aus stiller Trauer und Verzweiflung, die selbst für Krimis, die Wert auf Beschreibung von Opfern und Hinterbliebenen legen, ungewöhnlich intensiv ist. Jeder, der Lukas kannte, empfand den zugewandten und charmanten IT-Spezialisten Ende 20 als Bereicherung. So dessen neue Freundin Mia Bannert (Engelbrecht) oder auch Lukas' Chef Karl-Heinz Weinhardt (Götz Otto), der den "High Potential" frisch von der Uni für seine internationale Logistik-Firma gewinnen konnte. Schließlich stoßen Voss und Ringelhahn auf einen Fall, bei dem ein anderes Opfer verdächtig ähnlich zu Tode kam. Derweil stellen die hinterbliebenen Eltern – Karl Markovics spielt Lukas' Vater – Ermittlungen auf eigene Faust an, weil sie nicht ertragen können, dass der sinnlose Tod ihres Sohnes unaufgeklärt bleiben könnte.

Was macht der Mord mit den Hinterbliebenen?

Der neue Franken-Fall ist ein Werk jener Kreativen, die den "Tatort" mit Voss und Ringelhahn erfunden haben: Max Färberböck schrieb das Drehbuch und führte Regie. Seine Stammpartnerin Catharina Schuchmann – makabrerweise die Mutter jenes Schauspielers, der das Opfer mimt – fungiert als Co-Autorin. Für das Duo ist es nach dem fränkischen "Tatort"-Debüt "Der Himmel ist ein Platz auf Erden" (2015), der vierten Folge "Ich töte niemand" (2018) sowie "Die Nacht gehört dir" (2020) der vierte Film für Ringelhahn und Voss. Ihre Krimis zeichnen sich dadurch aus, dass sie oft tiefer in die Psychologie von Opfern, Tätern und anderen Plot-Beteiligten eindringen als sonst üblich. In "Warum" stellen Färberböck und Schuchmann die Frage, was der Verlust sowie ein offenbar sinnloser Tod mit jenen Angehörigen macht, die zurückbleiben. Mit dem älteren Ehepaar, das sein einziges Kind verloren hat? Mit der alleinerziehenden Mutter, die ihre neue Liebe und damit die Hoffnung auf eine wunderbare Lebensleichtigkeit aufgeben muss, welche die Kuschel-Folk-Eröffnungsszene versprach?

Natürlich – auch das ist eine Spezialität des fränkischen Krimis und seines Kreativ-Duos – hadern auch die Ermittelnden mit ihrem Job und der eigenen Moral, die in einer emotionalen Extremsituation an die Belastungsgrenze gerät. Insgesamt ist der "Tatort: Warum" ein typischer Färberböck-Film, der mit leisen, aber klugen psychologischen Twists fasziniert. Auch wenn man am Ende sagen muss, dass Färberböck, der wohl melancholischste "Tatort"-Regisseur Deutschlands, in der Vergangenheit bereits stimmigere Porträts menschlichen Leids und seltsamer Beziehungs-Verwerfungen lieferte, ist auch sein neuer Franken-Fall eine (Quaitäts)bank. In der Liga überraschender Krimis spielt der "Tatort: Warum" oben mit.

Überraschend ist zudem die Besetzung tragender Nebenrollen: Neben der schönen Julie Engelbrecht als eher grau gezeichnete Frust-Mutter, sind auch der ehemalige Action-Teutone Hollywoods, Götz Otto (als verständnisvoller Unternehmer) sowie Ex-Surf-Schönling Ralf Bauer (als Obdachloser) extrem gegen den Typ besetzt. Vielleicht ja, um einen Hauch von Humor in dieser ungemein traurigen Geschichte unterzubringen.

Tatort: Warum – So. 01.05. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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