ARD-Talkshow

"Hart aber fair": Klamroth bringt Bauministerin Geywitz in Erklärungsnot

09.05.2023, 09.13 Uhr
von Christopher Schmitt

Bauen kann sich kaum noch jemand leisten und Mieten sind kaum noch zu bezahlen: Ohne Zweifel hat Bauministerin Klara Geywitz (SPD) mit ihrem Ministerium aufgrund äußerer Umstände aktuell keinen leichten Stand. Aber darf das als Ausrede gelten? Bei "Hart aber fair" hakte Moderator Louis Klamroth knallhart nach.

Die Wohnungsnot in Deutschland ist groß: Die Mieten steigen, ein Eigenheim ist für viele zum unerreichbaren Wunschtraum geworden. Was muss sich ändern? Am Montag diskutierte Louis Klamroth bei "Hart aber fair" (ARD) mit seinen Gästen über die Wohnungskrise, darunter auch mit Bauministerin Klara Geywitz (SPD). Wenige Wochen war Geywitz nur im Amt, als der russische Angriffskrieg in der Ukraine die Spannungen auf dem Wohnungsmarkt verschärft hatte. Zweifellos kein leichter Start als Ministerin – und kein leichter Stand im ARD-Talk, wenngleich sich Geywitz wacker hielt.

Klamroth hakt provozierend nach

Moderator Klamroth konfrontierte die Bauministerin mit einem Wahlplakat der SPD zur vergangenen Bundestagswahl. Darauf zu sehen: der heutige Kanzler Olaf Scholz samt Selbstbeschreibung "Kanzler für soziales Wohnen". "Suchen wir diesen Kanzler noch?", fragte Klamroth. "Also ich sehe ihn regelmäßig", verteidigte Geywitz ihren Parteikollegen. Bauen und Wohnen sei eine große Herausforderung, deshalb sitze sie hier und deshalb wurde ihr Bau- und Wohnministerium gegründet. "Wir geben extrem viel Geld aus für den sozialen Wohnungsbau", unterstrich die SPD-Politikerin. Baupolitik lebe davon, dass sie langfristig und kontinuierlich sei.

"Wir hatten früher in der Bundesrepublik Deutschland drei Millionen Sozialwohnungen und dann wurde über Jahrzehnte zu wenig in diesem Bereich investiert", erklärte Geywitz. Inzwischen gebe es nur noch eine Million Sozialwohnungen. Klamroth ließ nicht locker: "Die SPD hat vollmundig versprochen: 400.000 Wohnungen jedes Jahr", nur 280.000 seien es geschätzt geworden. "Das mit den Schätzungen ist immer ein bisschen schwierig", setzte Geywitz an. Klamroth hakte nach: "Haben Sie eine andere Zahl?" Im Mai werde man das genau wissen, so die Bauministerin, alles andere sei pure Spekulation. "Wir haben doch schon Mai?", wunderte sich der Moderator. "Ende Mai", fügte Geywitz rasch an, erst dann sollen die Zahlen veröffentlicht werden.

Geywitz versucht die Situation zu erklären

Dann bezog sich Geywitz selbst auf das Scholz-Plakat: Man dürfe nicht vergessen, dass die Situation, in der das Wahlplakat entstand, eine mit besten Bedingungen für den Baubereich gewesen sei. Die Zinsen seien niedrig gewesen. Infolge des 24. Februars 2022 – dem Beginn des russischen Angriffskriegs – habe ein "historischer Zinssprung" die Situation verändert. Aus dem Blick verloren habe Geywitz die Bau-Vorhaben aber nicht: "Es ist gerade schwierig, aber das Ziel ist nach wie vor notwendig." Durch die Aufnahme vieler Menschen in Deutschland brauche man sogar noch mehr als die 400.000 Wohnungen.

Louis Klamroth verglich Geywitz' Ausführungen daraufhin mit den Ausreden von Profi-Fußballern nach verlorenen Partien: "Wir haben das Spiel verloren, weil der Platz so schlecht war und der Schiri gegen uns gepfiffen hat." Aber: "Die Schuld bei sich selber, die sehen sie nicht?" Geywitz erklärte, die Zinsentwicklung sei aufgrund eines "externen Schocks" passiert. "Das, was die billigen Zinsen die ganze Zeit überdeckt haben, war ein Riesen-Reformstau auch auf der politischen Ebene." Dazu zählten Digitalisierung, die Vereinheitlichung der Bauordnung oder die Frage der Standards.

Dies rief einen anderen Gast auf den Plan: Caren Lay, Parteisprecherin für Mieten-, Bau und Wohnungspolitik der Linkspartei, reagierte verärgert auf das Scholz-Plakat. "Ich muss schon sagen, dass mich das wirklich empört hat mit diesem 'Kanzler für bezahlbares Wohnen'!" An dem Reformstau sei die SPD "ganz entscheidend beteiligt" gewesen. "Vor wenigen Jahren ist der soziale Wohnungsbau um ein Drittel gekürzt worden", führte Lay aus. Wichtige Ergänzung: "Finanzminister war Olaf Scholz."

"Mehr industrielle Vorfertigung. Fertighäuser oder serieller Wohnungsbau modular"

Auch auf anderer Ebene erntete die Bauministerin Gegenwind. Die SPD-Politikerin kündigte an, das "dicke Brett" bohren zu wollen, um in Deutschland wieder billiger bauen zu können. "Mehr industrielle Vorfertigung. Fertighäuser oder serieller Wohnungsbau modular", sollen umgesetzt werden. "Das geht schnell und ist kostendämpfend."

Doch Wohnungsbauunternehmer Dirk Salewski gab Folgendes zu bedenken: Es gebe 10760 Städte und Gemeinden in Deutschland. "Jede legt im Bebauungsplan fest, wie hoch gebaut werden darf. Und dann wird das mit der Serialität bisschen schwierig." 16 Landesbauordnungen "mit unterschiedlichen Brüstungshöhen, Geländern, Treppenstufen ..." erschweren die Pläne zusätzlich. "Wir hatten Ende der 90er-Jahre die erste Wärmeschutzverordnung, die passte auf eine Seite DIN-A4", so Salewski. "Heute brauche ich irgendwann Bauhistoriker, die herausfinden, was eigentlich zulässig ist an energetischem Standard in einem bestimmten Baugebiet."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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