"Lost in Fuseta": Austausch-Kommissar mit Asperger
Nach dem "Lissabon-Krimi" mit Jürgen Tarrach kündigt sich der nächste Portugal-Krimi im Ersten an. In "Lost in Fuseta" ermittelt ein deutscher Kommissar mit Asperger-Syndrom an der Algarve.
Zweimal 90 Minuten hat sich Roman- und Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt bei der produzierenden ARD Degeto ausbedungen, um seinen Helden Leander Lost (Jan Krauter) zu erzählen. Mr. Lost, natürlich ein arg "sprechender" Name, wird zu Beginn des ARD-Zweiteilers am Samstag (Teil zwei direkt im Anschluss um 21.45 Uhr) von seinen portugiesischen Kollegen am Flughafen abgeholt, weil der steif bis seltsam wirkende Anzugträger Teil eines deutsch-portugiesischen Polizei-Austauschprogramms ist. In einer kleinen Küstenstadt an der Algarve, Fuseta eben, soll der Norddeutsche für ein Jahr arbeiten.
Seine neuen Kollegen, die selbstbewusste Graciana (Eva Meckbach) und der lässige Slacker-Detektiv Carlos (Daniel Christensen), scheinen aber mehr schlecht als recht zu Herrn Lost zu passen. Auf der portugiesischen Seite: coole Klamotten und eine Sprache, die von viel Ironie und gegenseitigem Foppen geprägt ist, hinter der jedoch ein tiefsitzender Humanismus waltet. Und der Deutsche? Er spricht zwar überraschend gut Portugiesisch, wirkt ansonsten aber wie ein Roboter im dunklen, eng geschnittenen Anzug. Weil bereits auf der Fahrt vom Flughafen nach Fuseta eine Leiche "anfällt", erhält der "Fish out of Water"-Plot von "Lost in Fuseta" auch gleich zu Beginn der 180 Minuten den für deutsche Primetime-Programme offenbar erforderlichen Krimi-Plot mit auf den Weg.
Es ist Gracianas Schwester Soraia (sehr charmant: Filipa Areosa), die als Erste erkennt, dass Leander Lost mit seinem fotografischen Gedächtnis, dem Blick für Details und Zusammenhänge, aber eben ohne Fähigkeit, Gefühle oder auch nur Gesichter zu lesen, am Asperger-Syndrom leidet. Also jener Form des Autismus, die oftmals zwar keinen Entwicklungsrückstand in der Sprache oder kognitiven Entwicklung zur Folge hat, aber Menschen dennoch ziemlich "anders" sein lässt.
Jan Krauter, der zuletzt in der sehr starken Ferdinand von Schirach-Reihe "Strafe" bei RTL+ einen Depressiven spielte (Episode "Der Taucher"), muss oder darf in diesem sehr viel leichter angelegten TV-Werk wiederum einen psychisch defizitären Menschen geben. Unter portugiesisch-deutscher Sonne wandert also eine Neuauflage von "Rainman" herum, aber natürlich auch ein wenig "Die Brücke – Transit in den Tod", denn auch diese dänisch-schwedische Ausnahme-Krimiserie hatte eine Ermittlerin mit Asperger-Syndrom.
Zwischen Schmunzelkrimi und Coming-of-Age-Film
Ein wenig konstruiert ist es schon, was Holger Karsten Schmidt, der zwischen 2017 und 2022 fünf Lost-Romane unter dem Pseudonym Gil Ribeiro veröffentlichte, hier fürs deutsche Primetime-Fernsehen geschrieben hat. Einerseits merkt man dem Zweiteiler schnell an, dass der Kriminalfall nur eher so "mitschwingt", als tatsächlich im Zentrum des Interesses zu stehen. Andererseits ist das hier auch keine richtige Komödie oder gar ein Drama. Im emotionalen Zentrum steht das Mitmenschliche, die "Inklusion", wie es Holger Karsten Schmidt selbst benennt: die Geschichte von einem, der es schwer hat und der dennoch an ungewohnter Stelle seinen Platz findet. Dabei schwankt "Lost in Fuseta", das immerhin außergewöhnlich gute Bilder produziert (Kamera: Michael Grabowski), so ein bisschen unentschieden zwischen banalem Schmunzelkrimi und anrührendem Coming-of-Age-Film.
Jan Krauter macht seine Sache gut. Beim "portugiesischen Cast" irritiert einmal mehr, dass hier sowohl Deutsche wie auch einheimische Schauspieler Portugiesen spielen, weshalb manche synchronisiert und andere im Originalton zu hören sind. Im Jahr 2022, da (untertitelte) Mehrsprachigkeit immer mehr Fiction-Usus geworden ist, zumindest eine fragwürdige Entscheidung. Fürs klassische lineare TV-Publikum, das leichtere Ermittler-Ware nach wie vor goutiert, ist dieser "Krimi aus Portugal", wie es zur sicheren Einordnung im Untertitel des Programms reist, sicher genau das, was man erwartet. In manchen Szenen gelingen Regisseur Florian Baxmeyer, den man von etlichen Bremer "Tatort"-Krimis kennt, anrührend zwischenmenschliche Szenen. Vier weitere Lost-Romane stünden – Stand jetzt – bereit, sollte der neue Portugal-Krimi des Ersten bei den Zuschauenden in Sachen Quote zünden.
Lost in Fuseta – Ein Krimi aus Portugal – Sa. 10.09. – ARD: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH