ZDF-Talkshow

Markus Lanz zofft sich mit Luisa Neubauer: "Es geht diesem Land an den Kragen"

19.10.2022, 09.11 Uhr
von Christopher Schmitt

Die Debatte um eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten war am Dienstag auch bei Markus Lanz das bestimmende Thema. Luisa Neubauer blieb eine eindeutige Antwort schuldig – und Lanz brachte vehement seine persönliche Meinung ein.

Greta Thunberg ließ kürzlich mit zwei Interviews aufhorchen: Als Galionsfigur der "Fridays for Future" (FFF)-Bewegung sprach sich die junge Schwedin angesichts der aktuellen Situation bei der Frage Atomkraft oder Kohle für die Atomkraft aus. Markus Lanz hatte sich in seinem ZDF-Talk am Dienstagabend offenbar zur Aufgabe gemacht, eine Antwort zu dieser Frage auch aus Luisa Neubauer herauszukitzeln. Doch die drückte sich gleich mehrfach um eine klare Antwort. Lanz blieb in gewohnt hartnäckiger Manier dran, bis die genervte Klimaaktivistin die Gegenfrage stellte: "Wollen Sie jetzt, dass ich so ein Pseudo-Pro-Atomkraft-Statement mache?"

Die Stimmung schaukelte sich langsam hoch. Zunächst sagte Neubauer, ein Fehler in der Debatte sei, dass der Anschein erweckt werde, man müsse sich zwischen Atomkraft und Kohlekraft entscheiden. "Wir sagen als Bewegung: Leute, dafür gibt es die Erneuerbaren." Seit Jahren würde FFF dafür plädieren auf die demokratischste, friedlichste und klimafreundliche Energie von allen zu setzen. Die Aktivistin gestand jedoch ein, man werde "jetzt ein bisschen hantieren müssen". Eine Formulierung, die Ex-Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gerne aufgriff. Er argumentierte – wie eben auch Lanz – angesichts der aktuellen Situation auf eine vermeintlich pragmatische Lösung zu setzen.

"Manchmal fühle ich mich wie in einem Paralleluniversum", erklärte Neubauer. Ihr Vorwurf: Die wichtigen Debatten zur Energiekrise werden mit oberflächlichen Diskussionen zur Kernenergie verhindert. "Die Atomkraft kann in Deutschland nicht unsere Energiekrise lösen, auch nicht die Knappheiten", so die Klimaaktivistin. "Ein Prozent vom Gas kann erreicht werden." Doch Lanz blieb auf Konfrontationskurs. De Maizière kommentierte lächelnd in Richtung Neubauer: "Ich bin auch schon mal so gegrillt worden. Da müssen Sie jetzt durch."

Lanz: "Wir reden jetzt mal hart"

"Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen", musste sich Lanz schließlich von Luisa Neubauer anhören. Hinzu kamen Aussagen des Soziologen Matthias Quent, der den Platz, den die Atomkraft in der Energie-Diskussion einnahm, ebenfalls für unangemessen hielt. Dann platzte es aus Lanz heraus. Der Moderator schaltete sich mit seiner persönlichen Meinung nun vehement in die Debatte ein. "Ich muss mich jetzt einmal wirklich wehren, auch als Bürger dieses Landes", erklärte der Moderator. Seine Ansage, man solle hier nichts persönlich nehmen, "aber wir reden jetzt mal hart", ließ erahnen, was folgen würde.

So werde in der Atomkraft-Frage unterstellt, es gehe hier "um ein bisschen Halligalli" und medial würde dies hochgepusht. Aber: "Das ist kein Halligalli, da geht es um existenzielle Fragen", ereiferte sich Lanz. "Es geht um den Industriestandort Deutschland." Und es gehe darum, dass "wir die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt sind" und zehnmal so hohe Energiepreise zahlen müssten wie die in den USA.

Der Moderator zitierte eine Wirtschaftsweise, die erklärte, Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen würde den Strompreis um zwölf Prozent senken. Dies sei "gerade jetzt relevant für viele, viele Menschen". Lanz unterstrich noch einmal nachdrücklich die Bedeutung der Energiepreise für Menschen und Industrie: "Es geht um die Existenz vieler Leute und es geht diesem Land an den Kragen, wenn wir diese Energie- und Gaspreise nicht in den Griff kriegen."

Neubauer: "Die Wahl zwischen Zeit und Demokratie haben wir nicht"

Wenngleich sie die klare Antwort zur AKW-Frage schuldig blieb, bezog Neubauer schließlich doch Stellung zu Thunbergs Aussagen. "Theoretisch ist daran ja alles richtig. Das sieht auch der Weltklimarat so." Allerdings gebe es für Deutschland aufgrund der geringen Leistung der verbliebenen AKWs gar nicht die Option, sich zwischen gefährlicher Kernkraft und Kohle zu entscheiden. Andere wichtige Aspekte blieben hingegen undiskutiert. "Wenn die Lage so dringend ist, wie kann es sein, dass der ganze Teil der Debatte, bei dem es um Einsparungen geht, ausgeklammert wird", fragte Neubauer mit Blick auf ein Tempolimit.

In einem waren sich de Maizière und die Klimaaktivistin übrigens vollkommen einig: "Die Häufung von Krisen hat gezeigt, dass wir so nicht weitermachen können", fand auch der CDU-Politiker. Seiner Meinung nach liege die Lösung in einer grundlegenden Staatsreform, mit der der Bund mehr Befugnisse für besseres Krisenmanagement erhalte. Doch demokratische Veränderungen würden Zeit benötigen. Zeit, die wir laut Neubauer nicht haben. "Wir rennen gegen die Zeit an", warnte das deutsche Gesicht von FFF. "Die Wahl zwischen Zeit und Demokratie haben wir nicht."


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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