Lehrreiche Doku über den badischen Oberst und Ingenieur Johann Gottfried Tulla, der mit dem Aus- und Umbau des Oberrheins neues Ackerland erschuf und dafür sorgte, dass Überschwemmungen ein Ende nahmen.
Das Hochwasserelend hatte der in der damals noch kleinen Residenzstadt Karlsruhe als Sohn eines Geistlichen geborene Johann Gottfried Tulla schon als Kind vor Augen. Gut nachvollziehbar, dass er im "Vater Rhein" eher eine Bestie sah, die es zu besiegen galt. Eigentlich hätte Tulla Pfarrer werden sollen, wie sein Vater. Doch sein Lehrer erkannte das große Ingenieurtalent in ihm. "Nicht der Glaube soll Berge versetzen, sondern das Wissen", sagt er im Film über den späteren Rheinbegradiger und empfiehlt ihn dem Landesherrn, der ihm Stipendien für Paris, Freiberg in Sachsen und für die Wasserbaumeister in den Niederlanden gab.
Von Tullas Privatleben ist wenig geblieben. Doch geben in "Der Flussbaumeister – Wie Tulla den Rhein begradigte" die historischen Kostüme, illustre alte Stiche vom Rhein und ausgiebige Drohnenflüge ein farbiges Bild von den Machenschaften des gelehrten Baumeisters, der für seine Badener nur das Beste wollte. Die Rheinbegradigung, wie mit dem Lineal gezogen, durchschnitt Flussschleifen und zahllose Inseln, ließ aber auch Rheinauen und -wälder verschwinden – und zugleich die unselige Malaria, die "mal aria" ("Schlechte Luft") in den Sümpfen. Bis zum ersten Spatenstich bei Karlsruhe 1817 war's ein zäher Kampf gegen die einheimische Bevölkerung. Die herbeigezogenen Landarbeiter mussten sich der einheimischen Bauern erwehren, sie fürchteten um ihre Existenz.
Doch Tulla, im Film von Steffen Schroeder, dem Kommissar Kowalski aus der Serie "SOKO Leipzig" gespielt, kennt keine Gnade gegen sich selbst, die Bauern und den Strom: "Die dauernden Kapriolen und Überschwemmungen müssen ein Ende haben", so sagt er. "Baden braucht einen sicheren Fluss." Dem Uniformschneider hält der Herr Major einen Strick vor die Nase und erklärt ihm, dass das "unsere Zukunft" sei. Er meint damit das neue Meter-Maß, das viel zuverlässiger als die alte am Menschenarm gemessene Elle sei. Das hatte er auf dem Polytechnikum in Paris gelernt.
Erste Erfolge sahen die Einheimischen übrigens bereits 1824, blieb man doch vor dem Hochwasser, das damals andere Städte heimsuchte, verschont. Doch 250 Jahre nach seiner Geburt am 20. März 1770 ist der Ruhm des Rheinbegradigers Tulla nicht mehr ganz so groß. Schon werden vielfach die Böschungssteine der Wassertrasse entsorgt und wieder Bäume gepflanzt, die Natur kommt zu ihrem alten Recht. Störche kreisen am Altrhein, die Fische laichen wieder. Nicht zuletzt die fortschreitende Industrialisierung hatte ja dem Rhein in den vergangenen Jahrzehnten arg zugesetzt und zeitweise eine Kloake aus ihm gemacht.
Nun sind die Naturschützer am Werk und renaturieren, so gut es geht. Sie nehmen dabei sogar die asiatischen Stechmücken in kauf, die für die Malaria verantwortlich sind. Tulla selbst soll 1828 in einem Pariser Krankenhaus an der Malaria gestorben sein, der Arzt diagnostizierte Atemnot. Die Doku (SWR / ARTE) setzt ihm nun ein Denkmal, das sich nicht in ausufernder Lobhudelei ergeht.
Der Flussbaumeister – Wie Tulla den Rhein begradigte – Sa. 15.08. – ARTE: 20.15 Uhr