Digitaler Zwang - Was geht noch ohne Internet?
19.06.2025 • 23:10 - 23:55 Uhr
Info, Computer + Informatik
Lesermeinung
Clara Hahn hing ständig am Smartphone. Ihre Tochter bringt sie auf die Idee, das Gerät abzuschaffen.
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Dagmar Hirche (zweite von links) hilft älteren Menschen dabei, sich digital zurecht zu finden.
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Annemarie wünscht sich von der Politik mehr mitgenommen zu werden.
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Carlos San Juan ist mit seiner Petition nicht nur in Spanien bekannt geworden.
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Originaltitel
Digitaler Zwang - Was geht noch ohne Internet?
Produktionsland
D
Produktionsdatum
2023
Info, Computer + Informatik

Digitaler Zwang - Was geht noch ohne Internet?

Vieles in unserem Alltag ist ohne Smartphone, Tablet oder Computer nicht mehr möglich. Oder zumindest sehr umständlich. Zwar hinkt Deutschland in der digitalen Entwicklung noch immer hinterher, doch schon jetzt überfordert die Technik viele Menschen - oder schließt sie schlichtweg von gewissen Dingen aus. Ist das fair? Sollten Menschen in Deutschland nicht ein Recht auf ein Leben ohne Smartphone & Co.haben und trotzdem an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens teilhaben können? Dieser Frage geht Simona Dürnberg nach in "45 Min - Digitaler Zwang - Was geht noch ohne Internet?" Die Hamburgerin Dagmar Hirche versucht ehrenamtlich aufzufangen, was die Politik ihrer Meinung nach versäumt: Sie bringt älteren Menschen den Umgang mit digitaler Technik bei. Eine ihrer Teilnehmerinnen ist die 78-jährige Annemarie O. "Wir Alten haben keine Lobby", sagt sie, "wir werden bei der Digitalisierung vergessen." Doch ihr ist es wichtig, digital "fit" zu werden. Denn mit zunehmendem Alter falle ihr zum Beispiel das Einkaufengehen immer schwerer. Auch ihre Bankgeschäfte würden zunehmend ins Netz verlagert. Sie befürchtet, in einigen Jahren noch viel mehr online erledigen zu müssen. Und hat Angst, das nicht zu bewältigen. Wie Annemarie O. geht es vielen älteren Menschen in Deutschland. Der Anteil sogenannter "Offliner", die weder Smartphone noch Computer besitzen, ist unter ihnen besonders groß. Aus dem aktuellen Altersbericht der Bundesregierung geht hervor, dass 66 Prozent der über 80-Jährigen keinen Zugang zum Internet haben - trotz eines hohen Bildungsgrads. Andere sind frustriert, weil sie mit Smartphone und Internet nicht gut umgehen können und gleichzeitig beobachten, dass immer mehr Alltagsdinge nur noch digital zu erledigen sind. Eine Entwicklung, die weltweit zu beobachten ist, und die in Spanien dazu führte, dass der 80-jährige Carlos San Juan aus Valencia mit einer Unterschriftenaktion dagegen mobil machte. Über 600.000 Unterschriften hat er mit seiner Petition "Soy mayor, no idiota" ("Ich bin zwar alt, aber kein Idiot.") gesammelt - mit dem Ziel, die Banken zu verpflichten, wieder analoge Angebote zu machen. Er hatte Erfolg. Und wurde für sein Engagement sogar vom EU-Parlament ausgezeichnet. San Juan fordert: Die EU-Länder sollten aufhören, den digitalen Möglichkeiten "blind" zu folgen, sondern sie gut überlegt einsetzen - und damit niemanden mehr ausschließen. Doch auch jüngere Menschen leiden unter der zunehmenden Digitalisierung. So würde laut einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbands "Bitcom" jede:r zweite Deutsche gern eine digitale Pause einlegen. Die 30-jährige Clara Hahn aus Berlin hat genau das getan: Ein Schlüsselmoment mit ihrer kleinen Tochter hat sie dazu bewegt, ein Jahr auf ihr Smartphone zu verzichten. Sie sagt: "Bis zu dem Zeitpunkt, als mich meine Tochter darauf aufmerksam gemacht hat, war mir nicht klar, dass ich süchtig bin." Ohne Smartphone habe sie zunächst starke Entzugserscheinungen gehabt, aber auch festgestellt, wie sehr das Gerät unser Handeln und Denken lenkt. Das bereite ihr große Sorgen, auch mit Blick auf die Generation ihrer Tochter. Schon jetzt machen aktuelle Studien klar: Die Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen ist durch Corona noch einmal angestiegen. Hahn ist nicht gegen digitale Entwicklungen, aber sie pocht vehement auf das Recht, auch ein analoges Leben zu führen. Alles andere sei undemokratisch. Die These stützt auch der Journalist und Philosoph Alexander Grau. Er betitelt uns Menschen als "Sklaven der digitalen Entwicklung". Denn in vielen Bereichen des Lebens würden wir verpflichtet, Smartphone & Co.zu nutzen, um den Alltag bestreiten zu können. Uns fehle die Wahlfreiheit. Dem hält Christian Stöcker, Professor für digitale Kommunikation, entgegen, dass wir um das Digitale nicht mehr herumkommen würden, wenn wir an der modernen Gesellschaft teilnehmen wollen. Joachim Selzer vom Chaos Computer Club sieht gute Gründe dafür, manches auch weiterhin analog anzubieten. Datenschutz und gesellschaftliche Teilhabe zählten dazu, aber auch die Erfahrung, dass Deutschland zwar oft digital will, es aber nicht gut durchdacht umsetzt, wie die aktuelle Debatte um das 49-Euro-Ticket zeige. Wer dieses Angebot künftig nutzen möchte, soll das möglichst digital tun - mit Smartphone oder einer digitalen Abo-Karte. Dass viele Busse oder Bahnen auf diese digitale Nutzung gar nicht vorbereitet sind oder viele Kund*innen lieber analoge Tickets verwenden, wird außer Acht gelassen. (NDR 08.05.2023)

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