Im ersten von zwei neuen Filmen um die autistische Gerichtsreferendarin Ella Schön läuft ein nackter Mann durchs Ostseedorf. Ella führt das Leben des FKK-Platzbesitzers alsbald seiner geregelten Ordnung zu.
Früher war alles noch ganz einfach. Man heiratete eine Familie, eine Mutter mit drei Kindern, und verstand sich fortan prächtig. Jetzt hinterlässt Papi seiner kinderlosen Witwe eine geheim gehaltene zweite Frau mit deren zweieinhalb Kindern (eins im Bauch) und ein Haus am Ostseestrand, in dem die Andere lebenslanges Wohnrecht hat. Kompliziert? – Mitnichten. Annette Frier regelt als verwitwete ewige Jurareferendarin mit Asperger-Syndrom alles im Herrenanzug und mit leichter Hand. Ein wandelndes Gesetzbuch und Medizinlexikon obendrein mit überirdischem Alienverstand und zielgerichteter Rücksichtslosigkeit. In der dritten Folge der "Ella Schön"-Reihe, die sich von den üblichen Herzschmerz-Frauenfilmen des ZDF angenehm absetzt, verhilft sie einem Campingplatzbesitzer zurück zum Glück.
Ella (Frier) weiß alles besser. Egal, ob es sich um die instabile Statik von Strandburgen handelt oder um die Strafbarkeit des Nackt-Herumlaufens in aller Öffentlichkeit: Immer hält sie mit steifer Stimme die passenden Argumente und Paragraphen bereit. Aber auch ganz ohne kriegt sie noch jedes Gegenüber mit ihrer großen Klappe klein.
Ellas besonderer Reiz liegt allerdings in ihrem für immer zu kurz geratenen Gefühlsleben. Die Reihe schlägt daraus mächtig Komik, wenn Ella auf vorausgesetztes Mitgefühl mit größter Verständnislosigkeit reagiert. Sex geht, Essen auch, aber selbst Schnittblumen sind Ella schon suspekt, weil sie ihnen nicht "beim Sterben zuschauen" will. In der Ehe habe sie mit ihrem Mann immer das Vorspiel ausgelassen, so berichtet sie mitunter, aber dann "verschiedene Stellungen" sehr phantasievoll durchgespielt. Auch jetzt, beim Date mit einem offensichtlich beharrlichen Verehrer, kommt sie schnell zur Sache. "Gibt es vielleicht die Möglichkeit, bei diesem Termin auch Sex zu haben?", fragt sie ihn, als er sie zum gemeinsamen Essen einlädt.
Noch immer zählt Ella aber auch die Tage, die sie mit ihrem verblichenen Mann verbrachte und setzt sie – wer wurde mehr geliebt? – mit Christine, der unbekannten Anderen (Julia Richter) ins Verhältnis. Dass sie deren Kinder, wenn schon, mit akribischer Sorgfalt begluckt, mag auf Dauer etwas ermüdend wirken, kulminiert aber in bester Slapstick-Manier, wenn sie die kleine Tochter im Handling von Drucktopf und Fritteuse gestreng beim Selberkochen unterweist.
So ist sie eine, die herzlos wirkt und doch stets nur Gutes tut. Auch die beiden Brüder und deren väterlichen Blitzer vom FKK-Strand, der seinen Lieblingssohn aus Amerika beim Erben bevorzugen will, bringt sie am Ende sehr geschickt zusammen. Aber was ist schon diese theatralische Episode gegenüber den tausend "autistischen" Einfällen, bei denen Annette Frier immer so schön flackernd geradeaus in die Unendlichkeit stiert? – Die kleinen Momente, die Sprachwitze sind es, die hier zählen. Insofern kein Film über Behinderung oder gar Inklusion, sondern pure Unterhaltung. An dem gut eingespielten Gespann Annette Frier und Julia Richter (Regie: Christiane Balthasar) sollte man einfach sein ungetrübtes Coemdy-Vergnügen haben.