"Mit Herz und Hilde": Martin Brambach über seine Rolle als Ronnie
Herr Brambach, Sie sind dafür bekannt, alles spielen zu können. Ermittler, Politiker, KZ-Aufseher, Mediziner. Nun ist es Ronnie, der seiner Frau Hilde bei der Arbeit in ihrem Imbiss unterstützt. Wie sehr verschmelzen Sie mit Ihren Rollen?
Martin Brambach: Manchmal hat man kaum die Zeit, sich richtig in seine Figur hineinzufinden, weil schon das nächste Projekt ansteht. Und ich bin sehr dankbar, dass ich so viele wunderbare Rollen spielen darf. Auf der anderen Seite ist es dann, wenn man sich einmal richtig in eine Rolle hineingefühlt hat, auch schwer, wieder loszulassen. Denn dieser Prozess ist ja gar nicht so einfach. Es braucht Zeit, bis man realisiert: So spricht der, so geht er. Aber das ist ja auch das Aufregende an dieser Arbeit. Man schlüpft in andere Biografien und lernt immer wieder dazu.
Mit Herz und Hilde ist eine Komödie – in Schauspielerkreisen sagt man: das schwierigste Fach überhaupt. Stimmen Sie dem zu?
Na ja, man muss eben immer wissen in welchem Genre man spielt. Es ist ein Unterschied, ob man in einem Arthouse-Film spielt, in einer Vorabendserie funktionieren muss oder gar in einer Komödie. Ein bekannter Kollege hat mich einmal darauf hingewiesen, dass ich in einer Komödie nicht plötzlich Arthouse spielen solle. Wenn der Regisseur bereits auf die Uhr schaut, weil er denkt: Ich muss irgendwann mal schneiden, dann läuft in so einer Komödie etwas schief (lacht). Komödie ist zwar vordergründig leicht, aber sie ist nur dann lustig, wenn die Gags, der Inhalt existenziell – also ernst – sind und auch die Tragik ausgespielt wird.
Wie haben Sie sich auf ihre Rolle vorbereitet?
Das ist ja bereits der zweite Film dieser Reihe mit der großartigen Steffi Kühnert zusammen. Manchmal ist es so, dass man schon eine bestimmte Figur im Kopf hat, auf die die Rolle passt. In diesem Fall war das so. Dann spielt man mit solch tollen Kolleginnen zusammen und muss einfach reagieren. Es ist ein großes Glück, dass die Besetzung so schön ist. Ansonsten muss man eben wach sein. Man kann sich noch so viel vornehmen, die Szene steht und fällt immer mit den Kollegen, mit denen man spielt.
Ronnie ist nicht das, was man als Karrieremenschen bezeichnet. Er achtet eher darauf, die Menschen in seinem Umfeld glücklich zu machen. Das ist ein Lebensentwurf, der heutzutage nicht so populär ist.
Er ist tatsächlich nicht von Ehrgeiz zerfressen (lacht). Solche Figuren stehen aber auch ein wenig für ihre Landschaft. Hilde hatte in der DDR eine Betriebskantine, Ronnie war in dem Betrieb Kraftfahrer. All das gibt es nach der Wende nicht mehr. Hilde hat es geschafft, sich danach zurechtzufinden, während Ronnie noch so ein bisschen in der Vergangenheit steckt. Man kann es aber auch positiv beschreiben, indem man sagt: Ihm reichen auch einige kleine Dinge, wie zum Beispiel sein Ehrenamt als Mädchenfußballtrainer. Er steht für einen Lebensentwurf, in dem man nicht so viel braucht. Was Ronnie hat, das hat er im Herzen. Das eigene Glück besteht darin, andere Menschen glücklich zu machen.
Ronnie lässt sich aber auch auf seine sehr vom kapitalistischen Zeitgeist geprägte Tochter Tamara ein und hinterfragt daraufhin sein bisheriges Leben.
Ja, aber er merkt ziemlich schnell, dass das, was seine Tochter mit ihm vorhat, nicht seins ist. Es geht bei Ronnie grundsätzlich darum, dass er eine gewisse Bescheidenheit an den Tag legt und sich fragt, welche Ziele man sich steckt und wie hoch der Preis dafür ist. Und da ist der Ronnie dann ja auch ehrlich genug, zu sagen, dass es das jetzt nicht ist.
Aber Ronnie überdenkt in sehr reifem Alter noch mal seinen Lebensentwurf. Sollte man so etwas in regelmäßigen Abständen tun?
Ich glaube, man sollte sich immer mal wieder infrage stellen. Wie oft ist es mir persönlich schon passiert, dass ich Pfade entdeckte, die für mich besser waren als der Weg, den ich bislang eingeschlagen hatte. Dazu muss man aber auch offen sein und das zulassen.
Ist Ihnen die Übersiedlung von Berlin nach Bochum als Teenager eigentlich schwergefallen?
Ich bin ja zunächst 1984 als Kind von Berlin nach Hamburg übergesiedelt, dort aufs Gymnasium gegangen. Mit 18 hat mich dann ein befreundeter Regisseur nach Bochum geholt – das war eine großartige Erfahrung. Danach habe ich wieder in Berlin gelebt und auch lange Zeit in Wien. Dass ich viele Jahre später der Liebe wegen zurück ins Ruhrgebiet gegangen bin, hat mir gutgetan. Die Menschen im Ruhrgebiet haben so etwas Ehrliches, Verlässliches. Das erdet mich. Berlin hingegen finde ich mittlerweile ziemlich anstrengend.
Sie haben sogar den Reiseführer „Nice To Meet You Ruhrgebiet“ geschrieben.
Das hat sich ganz spannend und zufällig ergeben …. ich hatte für Arte einen Kurzfilm gedreht, dessen Thema ich mir selbst aussuchen durfte. Da sollte es eigentlich um die alten Ruhrpott-Zechen im Wandel der Zeiten gehen, aber leider kam Corona dazwischen. Allerdings wollte Arte trotzdem etwas von mir haben, worauf ich ihnen vorschlug, mit dem Rad durchs Ruhrgebiet zu fahren und ein paar Freunde zu treffen. Daraufhin meinten sie: großartige Idee! Und nachdem das ausgestrahlt worden war, rief der Polyglott-Verlag an und fragte, ob ich einen Radreiseführer übers Ruhrgebiet machen wolle. Das wurde dann richtig umfangreich, denn es gibt in der Region sehr viele ehemalige Zechenbahnstrecken, die alle zu Fahrradwegen umgebaut wurden. Ich kann von Recklinghausen bis nach Duisburg fahren und quere genau zweimal eine Hauptstraße. Und man muss ja auch einfach sagen, dass man das Ruhrgebiet nicht zwingend mit so viel Naturschutzgebieten und grünen Landschaften in Verbindung bringen würde. Das hat den Reiz für mich dabei ausgemacht.
Sie haben mal gesagt, die großen Traumrollen gäbe es nur im Theater. Gibt es nicht doch eine Filmrolle, die in dieses Spektrum vordringen könnte?
Na klar gibt es die. Als Quentin Tarantino mit für “Inglourious Basterds” gecastet hat, war ich nah dran ;) Jedoch hat man am Theater mit Literatur zu tun, was beim Film nicht immer der Fall ist, weil man mit einer Gebrauchssprache ein wenig Realismus vermitteln möchte. Am Theater reizt mich zudem die unmittelbare Reaktion des Publikums. Und es gibt zudem Regisseure, mit denen ich gerne mal zusammenarbeiten möchte. Wenn ich zum Beispiel das Glück hätte, mit Andreas Dresen oder mit Dominik Graf zu drehen, das wäre schon großartig. Aber vielleicht rufen die ja mal irgendwann an.
Zu Corona-Zeiten waren viele Kunstschaffende existenziell bedroht. Einige protestierten irgendwann gegen die Regierungsmaßnahmen mit der „Allesdichtmachen“-Aktion. Manche in drastischer Form. Sie haben ihr „Allesdichtmachen“ Video damals zurückgezogen. Wie blicken Sie heute auf diese Zeit zurück?
Zunächst mal bin ich froh, dass das ganze Thema vorbei ist. Grundsätzlich haben die sozialen Medien damals eine Menge zur Emotionalisierung beigetragen, indem sie immer wieder auf Algorithmen basierende News gebracht haben. Wichtig ist doch, dass wir alle miteinander reden. Es ist eine Illusion, wenn man denkt, dass alle Menschen auf derselben Höhe der Zeit sind. Manchmal unterscheiden sich bereits Regionen diesbezüglich voneinander. Das ist einerseits bereichernd, aber auch eine große Herausforderung, und es ist ganz wichtig, dass wir immer im Austausch bleiben, anstatt in ein Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen. Ich saß damals zwischen den Stühlen. Ich war kein Querdenker, aber hatte ein Kind in der Schule und habe einige Dinge anders gesehen, als Menschen, die vielleicht keine Kinder haben. Das große Plus unserer Demokratie ist doch die freie Rede, die Möglichkeit, Gedanken auszutauschen. Das dürfen wir niemals verlieren.