Freistatt
31.01.2018 • 22:25 - 00:05 Uhr
Spielfilm, Drama
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Wolfgangs Mutter Ingrid (Katharina Lorenz) kann sich gegen Heinz (Uwe Bohm) nicht durchsetzen. Der Stiefvater verbannt Wolfgang (Louis Hofmann) wegen Aufmüpfigkeit ins Fürsorgeheim.
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Wolfgang (Louis Hofmann) auf seiner Pritsche, mit Schmerzen und voll Sehnsucht nach Freiheit.
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Wolfgangs (Louis Hofmann, links) bester Freund in Freistatt ist Anton (Langston Uibel).
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Mittagspause beim Arbeitseinsatz im Moor, bewacht von Bruder Wilde (Stephan Grossmann, stehend zweiter von links)  Mitte:, Bruder Wilde (Stephan Grossmann), Bernd (Enno Trebs), Bruder Krapp (Max Riemelt), Mattis (Justus Rosenkranz), Wolfgang (Louis Hofmann), Anton (Langston Uibel).
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Alexander Held als Hausvater Brockmann, der in Freistatt ein Gutsherrenleben führt.
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Wenn Oberbruder Wilde (Stephan Grossmann) sich von Wolfgang (Louis Hofmann) provoziert fühlt, wird die Schaufel zur Waffe ...
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Hans (Ole Joensson), Wolfgang (Louis Hofmann), Mattis (Justus Rosenkranz), Anton (Langston Uibel) und Bernd (Enno Trebs) in der Pause.
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Wird das ein Aufstand? Oberbruder Wilde (Stephan Grossmann) ist nicht gewohnt, dass die Jungen zusammenhalten.
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Louis Hofmann als Wolfgang.
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Wolfgang (Louis Hofmann, 5.v.l.) bei seinem ersten Morgenappell in Freistatt, bevor die Buben zur Arbeit ins Moor gehen.
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v.li.: Bruder Wilde (Stephan Grossmann), Anton (Langston Uibel), Hans (Ole Joensson), Hanebuth (Hendrik von Bültzingslöwen), Mattis (Justus Rosenkranz), Wolfgang (Louis Hofmann), Bernd (Enno Trebs).
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Verzweifelt nutzt Wolfgang (Louis Hofmann) eine Gelegenheit zur Flucht.
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Der kleine Mattis (Justus Rosenkranz) schenkt Bruder Krapp (Max Riemelt) eine selbstgebastelte Kirche zu Weihnachten.
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Bernd (Enno Trebs, rechts) solidarisiert sich im Zweifel mit den Vorgesetzten wie Bruder Krapp (Max Riemelt).
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Originaltitel
Freistatt
Produktionsland
Deutschland
Produktionsdatum
2014
Altersfreigabe
12+
Kinostart
Do., 25. Juni 2015
Spielfilm, Drama

Moorsoldaten im Erziehungsheim

Von Hans Czerny

Noch in den 60er-Jahren kam es in deutschen kirchlichen Heimen zu Unterdrückung und Gewalt, wie sie eigentlich nur im Nationalsozialismus vorstellbar waren. Der Film "Freistatt" orientiert sich an authentischen Aufzeichnungen.

In ihrem Drillich und mit den Arbeitsmützen wirken sie wie die Gefangenen eines Konzentrationslagers in der NS-Zeit. "Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten hinaus ins Moor", singen sie, wenn sie zur Arbeit ins niedersächsische Moor hinausziehen, um Torf zu stechen. Doch der nun auf 3sat wiederholte Kinofilm "Freistatt", nach dem Ort des Geschehens benannt, spielt keineswegs in der NS-Zeit, sondern in der Bundesrepublik der späten 60er-Jahre. Der 14-jährige Wolfgang (Louis Hofmann) wird von seinen Eltern, insbesondere vom Stiefvater, in ein evangelisches Erziehungsheim geschickt und sieht sich dort schlimmster Gewalt und Unterdrückung ausgesetzt. Aber die Unterdrückung ruft in ihm auch immer wieder Rebellion hervor.

Gleich zu Beginn deutet sich die neue Freiheit der späten 60-er an. Wolfgang fetzt mit seinem Mofa durch die Gegend – es ist die Zeit von "Sex, Drugs and Rock'n'Roll". Die Jugend erwacht, wird aufmüpfig und setzt sich zur Wehr. Auch bis zur Kanzlerschaft Willy Brandts und der neuen sozialliberalen Regierung ist es nicht mehr weit. Doch das Heim der Bodelschwingschen Anstalten, in das Wolfgang eingewiesen wird, erweist sich als wahre Folterkammer, sowohl körperlich als auch psychisch. Der Nationalsozialismus scheint sich – als hätte es nie eine Stunde Null gegeben – hier nahtlos fortgesetzt zu haben.

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Marc Brummund, der Regisseur dieses Debütfilms von 2015, kennt mit dem Zuschauer keine Gnade. Der muss das schon aushalten – die harten Ohrfeigen und die Prügel, aber auch das heuchlerische Mitleid und die Psychotricks der Vorgesetzten, die sich in diesem Falle "Brüder" und "Oberbrüder" nennen. Die Körperlichkeit des Films geht unter die Haut. Dabei wagen sich Regie und Drehbuch (Nicole Armbruster, Marc Brummund) aber auch weit in tiefenpsychologische Sphären vor. Wolfgangs Liebe zur Mutter wird, teils in Traumszenen bis hin zum Exzessiven, nicht umgangen. Und als Wolfgang zum ersten Mal die Tochter des Heimleiters umarmt, kommt es, was sonst, beinahe zu einer Vergewaltigung.

Trostloser hat man aber auch eine Weihnachtsfeier, bei der der Herr Pfarrer über die Trennung von den Eltern auf banalste Weise hinwegzutrösten versucht, nie gesehen. Dieses "Oh, du fröhliche" ist ein Grabgesang, nichts anderes als ein weiteres Moorsoldatenlied. Dabei erweist sich allerdings auch Brummunds Meisterschaft im Indirekten. Wenn er sonst immer in die Vollen geht und dabei sicher das Vorbild amerikanischer Sklavenhalterfilme im Auge hat, deutet er hier die Abhängigkeit eines Zöglings von einem Vorgesetzten nur an. Er zeigt die fatale Bindung des Jungen an den Erwachsenen, die aus einer psychischen Vergewaltigung so etwas wie eine Pseudoliebe werden ließ.

Der Hauptdarsteller Louis Hofmann (Bayerischer Filmpreis 2014, "Dark"), 2017 europäischer Shooting-Star der Berlinale, ist als Wolfgang immer Opfer und innerer Rebell zugleich. Wenn sich der Film auch an Hollywood orientieren mag und Exzesse oder Gefühlsausbrüche stets zu forcieren versucht, bleibt Hofmann immer bei sich. Man spürt, dass der Film ein authentisches Vorbild hat und dass Wolfgangs Geschichte genau so tausendfach in kirchlich organisierten Heimen passiert sein dürfte. Erst spät, nach der Jahrtausendwende, drang das Unglück hinter den Mauern dieser Erziehungsheime ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die Betreiber zeigten Reue und wirkten sogar mit am Film. Für eine Umkehr ist es sicher nie zu spät.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

Der Trailer zu "Freistatt"

Darsteller

Weitere Darsteller
Max Riemelt Hans Peter Korff Katharina Lorenz Stephan Grossmann Anna Bullard Enno Trebs Justus Rosenkranz Langston Uibel Ole Joensson Hendrik von Bültzingslöwen Megan Gay Katharina Schütz Anouk Bödeker Jette Jungjohann Benno Held Linea Witte

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